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Company Interview

HelloBetter: Nachhaltige Verbesserung des psychischen Gesundheitssystems und Bereitstellung gerechter e-mental health Behandlungen weltweit

HelloBetter – das Berliner Team, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, so viele Menschen wie möglich zu befähigen, ihre eigene psychische Gesundheit zu managen und ihre Lebensqualität zu verbessern – überall und jederzeit, ohne Wartelisten.

Interview von Emily Fawkner
Was macht HelloBetter ganz konkret und wie beschreibt Ihr Eure Rolle im Bereich digitaler Medizin?

Mit HelloBetter verfolgen wir eine klare Vision: Wir wollen das System der psychischen Gesundheitsversorgung neu denken und effektive Angebote zur Prävention und Behandlung psychischer Erkrankungen für alle Menschen weltweit zugänglich machen – niedrigschwellig und kostengünstig. Auf der ganzen Welt leiden fast eine Milliarde Menschen unter psychischen Beschwerden und der Großteil von ihnen erhält keine angemessene Hilfe: In Deutschland zum Beispiel können nur zwei von fünf Menschen mit psychischen Beschwerden mit irgendeiner Form der Versorgung rechnen. Nur eine von vier Personen mit psychischen Beschwerden wird von dafür ausgebildeten Fachärzten, also Psychotherapeuten oder Psychiater behandelt, der große Rest von Allgemeinmedizinern. 

2020 war für viele beruflich und persönlich eine Achterbahnfahrt. Für viele Unternehmen war es ein Beschleuniger, während andere darunter litten. Wie war 2020 für HelloBetter und wie hat sich COVID-19 auf HelloBetter ausgewirkt?

Mit HelloBetter leisten wir Hilfe zur Selbsthilfe. Das senkt die Barrieren in der Versorgung radikal und reduziert die immensen Kosten psychischer Beschwerden. Wir wollen erreichen, dass mehr Menschen als je zuvor eine qualitativ hochwertige Versorgung erhalten.

Die Corona-Pandemie hat sich stark auf die mentale Gesundheit der Menschen auf der ganzen Welt ausgewirkt. Das wird sich auch in 2021 nicht ändern. Seit das Virus im März Deutschland erreichte und die ersten Corona-Maßnahmen eingeführt wurden, verzeichnen wir eine starke Nachfrage nach psychologischen Hilfsangeboten. Wir haben daher nicht lange gezögert und unterstützt von der Allianz ein umfangreiches, kontaktloses psychologisches Hilfsangebot auf die Beine gestellt: Unsere Initiative Stark durch die Krise #sddk bündelt verschiedene kostenlose Maßnahmen, um diejenigen zu unterstützen, die in der Krise einen ersten Anlaufpunkt für ihre psychische Gesundheit benötigten. Das Angebot ist weltweit auf Deutsch und Englisch unter starkdurchdiekrise.de bzw. calmthroughthecrisis.com zu erreichen. 

Insgesamt hat sich 2020 die Zahl derjenigen, die eines unserer Online-Trainings in Anspruch nahmen, mehr als verdreifacht. Daher werden wir bei HelloBetter auch 2021 alles daran setzen, unserer Vision ein Stück näher zu kommen: allen Menschen einen einfachen, schnellen und niedrigschwelligen Zugang zu wirksamen psychotherapeutischen Angeboten zu ermöglichen.

 

HelloBetter.de
Was ist HelloBetter’s Alleinstellungsmerkmal? Wo schafft die Digitalisierung damit einen Mehrwert?

Ein Alleinstellungsmerkmal von HelloBetter ist unsere wissenschaftliche Vorgehensweise. Wir investieren viel Zeit in Recherche und Entwicklung und unsere Online-Trainings werden in mehrjährigen Studien immer wieder auf ihre Wirksamkeit geprüft. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Wir sind das Start-up mit der weltweit größten Evidenz für die Wirksamkeit seiner Lösungen zur Behandlung psychischer Beschwerden. Außerdem arbeiten wir mit einem wissenschaftlichen Beirat zusammen, dessen wertvoller Blick von Außen stets in die Weiterentwicklung von HelloBetter mit einfließt. All das hebt unser Produkt auf das höchstmögliche Niveau. 

Studien zu Folge liegt der Hauptgrund dafür, dass so wenige Betroffene in Kontakt mit dem Gesundheitssystem treten auch darin, dass viele Menschen ihre Probleme lieber selbstständig lösen möchten, anstatt auf Ärzte oder Psychotherapeuten angewiesen zu sein. Hier schafft die Digitalisierung einen Mehrwert, denn mit unseren Online-Trainings befähigen wir Menschen, die Lösung ihrer Beschwerden proaktiv in die Hand zu nehmen. Dabei profitieren auch diejenigen von unserem Angebot, die keinen Therapieplatz bekommen oder sich noch auf einer Warteliste befinden.

Auch Hausärzte, Fachärzte und Psychiater können die Online-Trainings dazu nutzen, die Versorgung von Patientinnen mit psychischen Beschwerden zu verbessern. Psychotherapeutinnen können ihren Patienten auf der Warteliste dabei helfen, die Zeit bis zum Therapiestart zu überbrücken und ermöglichen Patientinnen, die keine klassische Therapie benötigen, Zugang zu wissenschaftlich erwiesenermaßen wirksamen Programmen die ihnen zeitnah dabei helfen ihre psychische Gesundheit zu stärken bzw. wieder herzustellen.

Was waren einige der größten Herausforderungen, die HelloBetter bewältigen musste, um an den aktuellen Punkt zu gelangen? 

Auf jeder Etappe der Unternehmensentwicklung von HelloBetter gab es zahlreiche Herausforderungen und Hürden aber das gehört dazu. Anfangs ging es noch verstärkt um die Überwindung der initialen Widerstände in der klinischen Forschung und auf Seite der Therapeuten gegenüber digitalen Gesundheitsanwendungen. Wir stoßen zwar auch heute immer wieder auf Widerstände aber die Offenheit gegenüber der Digitalisierung des Gesundheitswesens wächst, das stimmt mich optimistisch.

Vor mehr als fünf Jahren, als HelloBetter noch unter dem alten Markennamen Get On gestartet ist, war das Verständnis und die Akzeptanz digitaler Gesundheitsanwendungen natürlich nicht vergleichbar mit heute. Einen großen Versicherer als Partner zu überzeugen, der unsere Produkte auch in die Routineversorgung bringt, gleiche Wirksamkeit wie in den Forschungsprojekten – das war schon eine große Herausforderung. Aber wir haben es geschafft und konnten die Barmer von uns überzeugen. Bis heute arbeiten wir sehr gut und vertrauensvoll zusammen.

Ganz klar: Das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) fordert natürlich auch uns bei HelloBetter heraus. Damit eine digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) gelistet wird und somit allen gesetzlich Versicherten (insgesamt 73 Mio. Menschen) verschrieben werden kann, müssen hohe regulatorische Hürden in Sachen Datenschutz, Datensicherheit und Barrierefreiheit überwunden werden. Die Evidenz der DiGAs wird akribisch geprüft. Das ist aber auch gut so, denn verschreibbare DiGAs, die sich als nicht wirksam erweisen, könnten den Gesundheitszustand der Nutzerinnen verschlechtern und schließlich zum Vertrauensverlust bei Ärzten und Patienten im Allgemeinen führen. Wir von HelloBetter befinden uns mit einigen unserer Online-Trainings im Prüfverfahren und werden zeitnah ein erstes Produkt in die psychotherapeutische Regelversorgung bringen. 

Was ist derzeit der limitierende Faktor für Euer Wachstum?

Ich denke, da geht es uns ähnlich wie vielen anderen schnell wachsenden Start-ups da draußen: die Finanzierung ist ein Dauerthema. Mit mehr Geld könnten wir mehr bewegen.

Außerdem hängt unser Wachstum natürlich auch stark von der Bekanntheit und Akzeptanz bei Ärztinnen, Psychotherapeuten und Psychiaterinnen ab.

Welche Erwartungen habt Ihr an die Deutschen Regulierungsbehörden und die Politik?

Damit DiGAs ein Erfolg werden, Bedarf es flächendeckender Aufklärung – Ärzten, Psychotherapeutinnen, Psychiatern und Patientinnen müssen die Vorteile von DiGAs verstehen, um sie zu verschreiben bzw. Nutzen zu wollen. Fachpersonal kann sich beispielsweise in zertifizierten Fortbildungen über den aktuellen Stand der Forschung aber auch zum konkreten Verschreibungsprozess von DiGAs informieren. Auch HelloBetter organisiert aktuell eine CME zertifizierte Online-Fortbildung für Fachpersonal, die Mitte März stattfinden wird.

Ein ganz wichtiges Thema ist zudem der Verschreibungsprozess. Dieser sollte möglichst reibungslos und voll digital erfolgen. Bisher löst ein Großteil derjenige die eine DiGA Voraussetzung für die Akzeptanz und den Erfolg von DiGAs. 

Letztlich ist auch die Gewährleistung einer den Therapieerfolg angemessenen Vergütung für digitale Gesundheitsanwendungen eine Voraussetzung für die erfolgreiche Entwicklung von HelloBetter und für die Entwicklung hochqualitativer DiGAs insgesamt. Die pauschale Festsetzung von Höchstpreisen wird der Komplexität des Sektors nicht gerechnet, da es große Unterschiede u.a. hinsichtlich des Evidenzniveaus und der Wirksamkeit gibt. Es ist wichtig die Vielfalt von DiGAs regulatorischen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen und klare Anreize – auch bei der Vergütung – für eine möglichst hohe Qualität zu setzen. 

HelloBetter durchläuft derzeit den DiGA-Prüfungsprozess. Wie war diese Erfahrung? Welchen Rat würden Sie anderen Digital-Health-Unternehmen geben, die ihre Anträge stellen werden? 

Im Zuge des DiGA-Prüfungsprozesses nimmt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die korrekte Planung und Durchführung der vorgelegten Studien unter die Lupe. Das betrifft sowohl die statistischen Analysen als auch die korrekte Planung der Studien gemäß ISO Norm. Meine Empfehlung an alle Unternehmen, die einen Antrag stellen, ist deshalb: Setzt euch vorher gründlich mit der ISO 14155 (Klinische Prüfung von Medizinprodukten an Menschen – Gute klinische Praxis) auseinander und stellt sicher, dass alle Dokumente, die in der ISO gefordert werden (Prüfplan, Studienbericht etc) vorhanden und leicht zugängig sind.

Wir haben außerdem gelernt, dass es zur Zeit schwierig ist, den Antragsprozess mit Metaanalysen zu durchlaufen. Die Komplexität solcher Anträge macht es für das Bfarm leichter, sie anzugreifen. Dies führt aber dazu, dass Anwendungen mit viel Evidenz nicht in das Verzeichnis aufgenommen werden. Und solche Anwendungen mit gar keiner Evidenz, die auf Erprobung in das Verzeichnis aufgenomme n werden wollen, haben es leichter. Deshalb ist aktuell der Anteil von EprobungsDiGA im Verzeichnis des Bfarm auch so hoch.

Welche Veränderungen wünschen Sie sich für das Ökosystem der digitalen Gesundheit? Und wonach sucht HelloBetter konkret?

Wir wünschen uns, dass in naher Zukunft digitale Anwendungen wie unsere ein ganz natürlicher Teil der Versorgung sein werden. Patienten sollten problemlos alle notwendigen Informationen in verständlicher Form erhalten. Wir hoffen, dass es zukünftig auch ein reibungsloses Zusammenspiel zwischen digitalen und Offline-Angeboten geben wird. Dies würde es uns ermöglichen Betroffenen jederzeit und überall Zugang zu unterschiedlichen Formen wirksamer Psychotherapie anzubieten und so einen niedrigschwelligen Zugang zu dem jeweils passenden Hilfsangebot zu ermöglichen.

Mit Blick auf die Zukunft, was ist der Schwerpunkt von HelloBetter im Jahr 2021 und wo sehen Sie Ihr Unternehmen in den nächsten Jahren?

Unser Ziel ist es, dass jeder Mensch kostenfrei –d.h. als Versicherungsleistung – Zugang zu unseren Programmen bekommen kann. Langfristig wollen wir die Versorgungssituation im Bereich Psyche gegenüber heute weltweit spürbar verbessern. Zustände wie derzeit üblich, dass zum Beispiel 99 Prozent aller Schlafstörungen nicht leitliniengerecht behandelt werden, soll es in Zukunft nicht mehr geben. Wir wollen dazu beitragen, dass Hausärztinnen nicht direkt Medikamente verschreiben, da diese oft wenig bringen und manchmal eine Abhängigkeit verursachen. Die kognitive Verhaltenstherapie ist gerade bei Schlafstörungen besonders wirksam. Daher sollten Patienten zunächst eine digitale Gesundheitsanwendung ausprobieren, bevor Psychopharmaka zum Einsatz kommen. Diesen Ansatz – ein sogenanntes Stepped-Care Modell – untersuchen wir gerade wissenschaftlich in Europas größter Schlafstudie Get Sleep. Bald werden Psychotherapeuten HelloBetter auch in ihrer täglichen Arbeit mit Patientinnen nutzen können. Wir werden es Ihnen ermöglichen einige psychotherapeutische Inhalte und vor allem die praktischen Übungen “auslagern” bzw. digital zu begleiten und so sowohl die Therapie selbst, aber insbesondere auch die Nachsorge weiter zu verbessern. 

Neben unserer bestehenden Produktangebot, werden wir natürlich auch weiterhin in der Entwicklung und der klinischen Forschung aktiv sein. Zum einen wollen wir neue Produkte entwickeln, mit denen wir Störungsbilder behandeln können, die wir bisher noch nicht abdecken. Zum anderen werden wir die Wirksamkeit neuer sowie bestehender Produkte weiter erforschen und kontinuierlich verbessern. Hier liegt eine der großen Chancen die digitale Gesundheitsanwendung bieten. Eine Pille die einmal zugelassen wurde, wird teilweise ohne Veränderung jahrzehntelang genau gleich hergestellt und verordnet. Bei DiGAs hingegen sammeln wir täglich eine Unmenge an Daten in der Routine und können unser Produkt so kontinuierlich verbessern.

Bleiben Sie hier mit HelloBetter in Kontakt:

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Company Interview

die #mentalhealthmatters Bewegung mit Instahelp

Was macht Euer Unternehmen ganz konkret und wie beschreibt Ihr Eure Rolle im Bereich digitaler Medizin?

Europas größte Herausforderung im 21. Jahrhundert im Bereich der Gesundheitsvorsorge ist die mentale Gesundheit. Alleine in der EU sind rund 117 Millionen Menschen von mentalen Problemen betroffen (WHO, 2016), jedoch erhalten nur knapp 30% der betroffenen Personen professionelle Hilfe (WHO, 2017). Genau hier setzen wir an – wir machen uns stark für die mentale Gesundheit.

Instahelp ist eine digitale Gesundheitsplattform und verfolgt die Vision, die mentale Gesundheit durch vereinfachten Zugang zu professioneller Hilfe zu verbessern. Die psychologische Online-Beratung ermöglicht Kund*innen innerhalb von durchschnittlich 7 Stunden über Textchat, Video- oder Audiotelefonie mit einem/einer erfahrenen Psycholog*in zu sprechen. Das gewährleistet einen niederschwelligen Zugang zu professioneller Beratung. Mehr als 120 Psycholog*innen beraten Kund*innen in aktuell 5 Ländern. 

Was ist Euer Alleinstellungsmerkmal? Was exakt findet in Ihrem Alltag schon alles digital statt? Wo schafft die Digitalisierung damit einen Mehrwert?

Instahelp bietet die Chance, sich orts- und zeitunabhängig beraten zu lassen – egal ob via Computer, Tablet oder Smartphone, gerne von der Lieblingscouch aus am Abend, z.B. wenn die Kinder schlafen oder auch am Wochenende. Alle unsere Psycholog*innen sind Klinische- oder Gesundheitspsycholog*innen mit mindestens drei Jahren Berufserfahrung sowie einer universitären Zusatzausbildung im Bereich der Online-Beratung. Die Qualitätssicherung erfolgt zudem über einen wissenschaftlichen Beirat. Instahelp bietet eine Dienstleistung an, die zu 100% digital erfolgt.

Wo seht Ihr als Unternehmen die größten Chancen und das größte Potenzial in der Digitalisierung der Gesundheit? Wieso? 

Mental Health ist das neue Trendthema – die Kombination aus Mensch und digitalen Möglichkeiten. Dadurch werden Prozesse und Zugänge vereinfacht und beschleunigt. Corona hat uns gezeigt, dass es essentiell ist, ein komplementäres Gesundheitssystem zu haben.

Welche Erwartungen habt Ihr an die Deutschen Regulationsbehörden und die Politik?

Der Digitalisierung sind noch immer Grenzen gesetzt. Wir erhoffen und erwarten uns, dass die psychische Gesundheit mit der physischen Gesundheit gleichgestellt wird. Die Kosten für psychische Gesundheitsmaßnahmen, wie präventive psychologische Beratung, sollten gefördert und leistbar werden und die Vorteile des Online-Angebotes für ein Angebot von Online-Therapie genutzt werden – z.B. für Personen mit Depressionen oder Sozialphobie.

Für die Online-Gesundheitsvorsorge braucht es einheitliche Standards, um die Qualität sicherzustellen. Zudem können Prozesse hin zur Krankenkassenleistung vereinfacht, transparenter und schlanker gestaltet werden.

Was ist derzeit der limitierende Faktor für Euer Wachstum?

Zum einen die Marktakzeptanz – also das Bewusstsein für die mentale Gesundheit, zum anderen die fehlende Kostenübernahme für präventive Angebote und Online-Beratung.

Was wünscht Ihr Euch? Was sucht Ihr?

Wir haben gerade eine Bewegung gestartet, um Deutschland mental stark zu machen. Dafür nutzen wir ein interaktives YouTube-Format mit mentalen Trainingsprogrammen Von Toto Wolff (Mercedes Team-Chef, Formel 1) und Florian Gschwandtner (Co-Gründer Runtastic). Wir wünschen uns, dass Personen zu mehr Ehrlichkeit und Offenheit kommen, was unsere psychische Gesundheit betrifft. Wir haben gerade unsere Kampagne laufen Wir machen Europa mental stark. Wir würden uns freuen, wenn ihr unsere Bewegung unterstützt #MentalHealthMatters

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die Zukunft der Medizin: digital, aber menschlich |Florian Weiß im Interview

Ich bin davon überzeugt, dass nachhaltige und vertrauensvolle Beziehungen den Behandlungserfolg erhöhen und damit Patienten gesünder und Ärzte erfolgreicher und zufriedener machen.

Wer bist Du und wie beschreibst Du Deinen Drive im Bereich digitaler Medizin, Deine Rolle?

Mein Name ist Florian und ich bin Geschäftsführer von jameda. Meine Leidenschaft im Bereich der digitalen Medizin entspringt der Idee, Ärzte und Patienten auf digitalem Wege zusammenzubringen und damit bessere Beziehungen zwischen beiden Seiten zu ermöglichen. Denn ich bin davon überzeugt, dass nachhaltige und vertrauensvolle Beziehungen den Behandlungserfolg erhöhen und damit Patienten gesünder und Ärzte erfolgreicher und zufriedener machen.

Was ist Dein USP, Dein Alleinstellungsmerkmal? Was exakt findet in Deinem Alltag schon alles digital statt? Wo schafft die Digitalisierung damit einen Mehrwert?

Ich versuche, Menschen hinter einer großen Vision zu vereinen. Und ich möchte sie dazu inspirieren, ihr Potential im Sinne dieses gemeinsamen Ziels zu entfalten. Dafür ist es wichtig, Menschen in ihrer Individualität zu erkennen und vertrauensvolle Beziehungen zu und zwischen Menschen aufzubauen. 

Mein Alltag ist stark digital geprägt und wie die meisten Menschen heutzutage organisiere auch ich einen Großteil meines Lebens mit dem Smartphone. Der Mehrwert der Digitalisierung liegt für mich vor allem in der universellen Verfügbarkeit von Informationen, der vereinfachten Kommunikation, sowie der Möglichkeit, Gemeinsamkeit und Interaktion auch über physische Grenzen hinweg zu organisieren.

Wo siehst Du die größten Chancen und das größte Potenzial in der Digitalisierung der Gesundheit? Wieso? 

Die größten Chancen sehe ich in der Verfügbarkeit von Daten und der maschinell unterstützten Auswertung dieser Daten. Denn wenn es um Mustererkennung und die Identifikation von Auffälligkeiten geht, ist die Maschine dem Menschen schon heute überlegen. Daran knüpfe ich die Hoffnung auf eine effizientere und personalisierte Medizin. 

Gleichzeitig sehe ich ein großes Potenzial darin, den Alltag von Ärzten und Patienten digital zu unterstützen und so für nachhaltige und gelungene Beziehungen zu sorgen. Dazu gehört die bessere Kommunikation und Interkation über die digitale Terminvereinbarung und Terminvorbereitung sowie die digitale Unterstützung der Behandlung und Nachsorge. Durch den einfachen und sicheren Austausch von Daten, Dokumenten und Informationen zwischen Arzt und Patient können Versorgungsqualität und Behandlungserfolg signifikant verbessert werden. 

die Medizin der Zukunft zwar digital, bleibt aber in hohem Maße menschlich.

Hinzu kommt: Virtuelle Assistenten werden den Arzt zukünftig von vielen Dingen entlasten, die entweder Routineaufgaben sind, oder aber von Maschinen schneller und zuverlässiger ausgeführt werden können. Das schafft dem Arzt Freiraum für eine neue Rolle: ein Gesundheitscoach zu sein, der dem Patienten hilft, seine Krankheit, seine Daten und seine individuelle Therapie besser zu verstehen und einzuordnen. Damit wird die Medizin der Zukunft zwar digital, bleibt aber in hohem Maße menschlich.

Wo konkret siehst Du das größte Marktpotenzial in der digitalen Gesundheit in den kommenden Jahren und wieso?

Zum einen liegt ein großes Potential in der eben geschilderten maschinellen Nutzung von Daten und der virtuellen Unterstützung des Arztes im Praxisalltag. Zum anderen sehe ich enorme Möglichkeiten in der Schaffung vollständig digitaler Versorgungspfade. Hier liegt auch die Kernaufgabe von jameda als größtem Arzt-Patienten-Portal in Deutschland: Aufbauend auf unserem umfassenden, cloudbasierten Praxiskalender, der Ärzten ein modernes und vernetztes Terminmanagement ermöglicht, sowie der bereits heute sehr stark genutzten Videosprechstunde, wollen wir digitale Mehrwertdienste in allen Phasen der Arzt-Patienten-Beziehung schaffen.

Diese Dienste werden die digitale Interaktion zwischen beiden Seiten signifikant erleichtern und den Behandlungserfolg steigern. Dazu gehört im Vorweg der Behandlung der Austausch digitaler Dokumente, die digitale Anamnese sowie die datengestützte Diagnoseunterstützung. Nach der Behandlung zählen dazu natürlich das e-Rezept und die digitale AU. Mittelfristig wird dazu auch die digitale Therapiebegleitung über digitale Gesundheitsanwendungen oder smart Monitoring von (Vital-)Daten gehören.

Was ist Dein konkreter Ratschlag an Gründer und Investoren im Bereich digital health? 

Ein scheinbar einfacher, aber meines Erachtens sehr wichtiger Rat: Großartige Ideen sind nichts wert, wenn sie nicht verwirklicht werden. Meine Erfahrung ist, dass es selten ein Defizit an guten Ideen im Unternehmen gibt, sondern vielmehr einen Mangel an Stärke in der operativen Umsetzung. Hierfür ist es essenziell, frühzeitig das richtige Team mit der richtigen Mischung aus visionärer Kraft, strategischer Klarheit und operativer Exzellenz an Bord zu holen. Zudem besteht gerade in einer gehypten Industrie wie Digital Health immer die Gefahr, dass man im Anblick zahlreicher Opportunitäten den Fokus auf das verliert, worin man selbst auf Weltklasseniveau agieren kann. Oft bedeutet Erfolg eben auch, zu vielen sehr spannenden Dingen Nein sagen zu können. 

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eRiXa© – E-Rezept Plattform für Deutschland

Was macht Euer Unternehmen ganz konkret und wie beschreibt Ihr Eure Rolle im Bereich digitaler Medizin? 

eRiXa©” ist die ERSTE völlig unabhängige E-Rezept#APP auf dem deutschen Gesundheitsmarkt (PKV/GKV).
Der Name steht für das elektronische Rezept (“eRX”), welches das Papier-Rezept in Deutschland ersetzt ab 2022 (LINK zum BMG: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/e-rezept.html)
Mit der eRiXa©️ Plattform haben wir neben dem E-Rezept eine „Schlüssel-Technologie“ geschaffen, um die vielen Insellösungen im Gesundheitswesen miteinander zu verbinden, da die kommenden Staatslösungen aus unserer Sicht nur einen begrenzten Mehrwert bieten und insbesondere viele Sonderanforderungen vermissen lassen. Wir sind oft das fehlende „PUZZLE-Teil“ und als Ravensburger ist das natürlich unsere Kernkompetenz.
In einem Satz ausgedrückt: „eRiXa©️ ist der PayPal-Button für jede eHealth-Anwendung oder Webshop zur Bezahlung über Papier- oder elektronischem Rezept und sicheren Datenaustauch unter Leistungserbringern!“

Was ist Euer Alleinstellungsmerkmal? Was exakt findet in Ihrem Alltag schon alles digital statt? Wo schafft die Digitalisierung damit einen Mehrwert? 

Wir haben schon HEUTE einen voll-funktionsfähigen eRx-Fachdienst inkl. APP entwickelt, basierend auf der eRezept-Spezifikation der gematik allerdings mit zusätzlichen Features und Sicherheitsmechanismen. Mit “eRiXa©” hat der Patient jederzeit die freie Wahl, bei welcher der über 6.000 Vor-Ort-Apotheke er das E-Rezept einlösen möchte. Wir können schon HEUTE analoge und digitale Rezepte elektronisch verarbeiten. Dabei ist unsere OCR-Lösung ein sehr hilfreiches Tool, damit viele Rezeptdaten automatisch erfasst werden. 

Wo seht Ihr als Unternehmen die größten Chancen und das größte Potenzial in der Digitalisierung der Gesundheit? Wieso? 

Die Corona-Pandemie hat die Grenzen der heutigen Zettelwirtschaft schamlos offengelegt. Wir sind derzeit im Blindflug und die Corona-Warn-App zwar ein netter Versuch, aber die praktische Anwendung lässt zu Wünschen übrig. Das E-Rezept vom Staat kommt eindeutig zu spät und auch die ePA hätte für den elektronischen Austausch von Corona-Testergebnissen oder Kontakteinen großen Nutzen gehabt 

Welche Erwartungen habt Ihr an die Deutschen Regulationsbehörden und die Politik? 

Das BMG hat in kurzer Zeit sehr viele Gesetze erlassen, um dem digitalen Wandel zu ermöglichen. Leider scheitert die Theorie dann häufig in der Praxis an bürokratischen Hürden oder der Einschränkung des Wettbewerbes aufgrund einer überregulierten technischen Lösung, welche von Lobbisten beeinflusst wird.

Was ist derzeit der limitierende Faktor für Euer Wachstum? 

Das viele Entscheider immer noch warten und hoffen die Digitalisierung kommt früh genug und ohne aktive Beteiligung bei der Gestaltung dieses Wandels. Würden große Firmen mehr in deutsche Start-ups investieren, könnten viele Innovationen viel schneller zur markreife heranwachsen als in den leider oft trägen Konzernen.

Was wünscht Ihr Euch? Was sucht Ihr? 

Wir suchen aktiv Kooperationen mit anderen Start-ups und etablierten Unternehmen im Gesundheitswesen, aber auch in verwandten Branchen wie dem Finanzwesen oder der Versicherungsbranche. Ein offenes Miteinander und eine stärkere Gründermentalität, denn an Ideen mangelt es uns in Deutschland sicher nicht! Oftmals fehlt es an Mut oder den richtigen Kontakten aus dem Netzwerk, um ein Konzept zu realisieren. 

Wo seht Ihr Euer Unternehmen konkret in 20 Jahren? 

Das ist sehr weit in die Zukunft gedacht und niemand kann annährend erahnen wie schnell sich die Welt mit und ohne Corona weiter entwickeln wird. In 20 Jahren wird es unser Unternehmen sicher nicht mehr in dieser Form geben, denn ein Start-up entwickelt sich so schnell und selbst in 2 Jahren kann eRiXa völlig anders aufgestellt sein. Es ist ein schmaler Grat von „from zero to hero“ und zurück und manchmal gehört auch etwas Glück dazu, das aus einem Start-up ein Konzern entsteht. Wir wären schon glücklich, wenn man sich in 20 Jahren noch an eRiXa erinnert und sagt: „So hat alles angefangen und die Corona-Krise hatte rückblickend einen positiven Effekt im Bereich Digital Health hinterlassen und eRiXa war in dieser Zeit ein Vorreiter und Lichtblick am Ende des Tunnels.“  

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Leistungsstarke klinische Tools | AMBOSS im Interview

AMBOSS ist eine unabhängige, für den digitalen Raum konzipierte Wissensplattform – schnell, verlässlich, tagesaktuell, hochvernetzt das ganze medizinische Spektrum abbildend, fast den ganzen Lebenszyklus der Medizinerinnen und Mediziner integrierend und dabei dynamisch auf individuelle Bedürfnisse eingehend.

Was macht Euer Unternehmen ganz konkret und wie beschreibt Ihr Eure Rolle im Bereich digitaler Medizin?

AMBOSS vereint Lernsoftware und Nachschlagewerk zu einer adaptiven Plattform für Medizinerinnen und Mediziner – vom ersten Tag an der Uni bis über die Facharztprüfung hinaus. AMBOSS liefert aktuelles Wissen in Sekundenschnelle und trägt so seit 2012 zu einer
effizienten, evidenzbasierten Gesundheitsversorgung bei. Rund um den Globus verlassen sich heute mehr als eine Million Medizinerinnen und Mediziner in Beruf, Studium und Lehre auf AMBOSS. Das internationale Team ist mittlerweile auf über 400 Mitarbeitende aus Medizin, Naturwissenschaften und Software-Entwicklung mit Büros in Köln, Berlin und New York angewachsen.

Aus unser Sicht ist die Vermittlung und Anwendung medizinischen Wissens ein elementarer Baustein einer adäquaten Gesundheitsversorgung. Unser Ziel ist es, die Barrieren zwischen
wissenschaftlicher Etablierung auf der einen und tatsächlicher, klinischer Anwendung auf der anderen Seite so weit es geht aus dem Weg zu räumen.

Was ist euer Alleinstellungsmerkmal? Was exakt findet in Ihrem Alltag schon alles digitalstatt? Wo schafft die Digitalisierung damit einen Mehrwert?

AMBOSS ist eine unabhängige, für den digitalen Raum konzipierte Wissensplattform – schnell, verlässlich, tagesaktuell, hochvernetzt das ganze medizinische Spektrum abbildend, fast den ganzen Lebenszyklus der Medizinerinnen und Mediziner integrierend und dabei dynamisch auf individuelle Bedürfnisse eingehend. Vieles davon gibt es in dieser Form nirgends sonst. Die deutsche Variante ist ohnehin einmalig. Was uns aber in Zukunft von anderen unterscheiden wird, ist zum größten Teil unser herausragendes Team, das sehr viele extrem talentierte, neugierige und passionierte
Persönlichkeiten aus Medizin, Entwicklung und anderen Spezialgebieten unter einem Dach interdisziplinär vereint.

Wo seht ihr als Unternehmen die größten Chancen und das größte Potenzial in der Digitalisierung der Gesundheit? Wieso?

Medizinstudierende werden heute immer noch so unterrichtet wie vor hundert Jahren. Während der Vorlesungen werden die Studierenden mit Fakten gefüttert, die sie sich merken müssen und wovon die Hälfte zum Zeitpunkt ihres Abschlusses schon wieder veraltet sein wird. Diese Studierenden werden zu Ärzten und Ärztinnen, die dann über eine Fülle von Informationen verfügen müssen, aber keine effiziente Möglichkeit haben, darauf zuzugreifen. Die schiere Fülle
und Vielfalt der Quellen macht es fast unmöglich, schnell zuverlässige, aktuelle medizinische Informationen zu finden. Was macht man als Allgemeinmediziner auf dem Land, wenn man Schwierigkeiten mit der Diagnose eines Patienten hat? In einem Buch nachschlagen? Vielleicht. Aber dieses wird höchstwahrscheinlich nicht die neuesten Leitlinienempfehlungen bereithalten, da medizinische Bücher in manchen Bereichen am Tag der Veröffentlichung bereits nicht mehr
aktuell sind. Das Fazit ist, dass medizinisches Wissen somit nicht immer Eingang in die klinische Praxis findet.

Wir müssen uns mehr auf medizinische Grundprinzipien, Datenkompetenz und die Interaktion zwischen Arzt und Patient konzentrieren.

Dr. Sievert Weiss

Gleichzeitig gibt es viele neue Technologien, die Informationen leichter verfügbar machen. Obwohl diese Technologien auch dazu führen, dass mehr Inhalte generiert werden (insbesondere in der medizinischen Welt), können sie Ärztinnen und Ärzten auch bei der
Bewältigung der Informationsflut helfen. In den nächsten Jahren müssen wir uns Fragen stellen wie: Was sollten die medizinischen
Fakultäten tatsächlich unterrichten und wie? Ich denke, wir müssen uns mehr auf medizinische Grundprinzipien, Datenkompetenz und die Interaktion zwischen Arzt und Patient konzentrieren.
Wir werden sehen, wie sich immer mehr theoretisches Wissen in den digitalen Raum verlagert und dort zugänglicher wird. Ich kann mir beispielsweise auch sehr gut vorstellen, dass Kooperationen zwischen digitalen Universitäten und Partnerkrankenhäusern irgendwann die
Norm sein könnten – insbesondere an Orten, wo Kapazitäten rar sind.

Aber das digitale Medium ist eben auch nur das: ein Medium; und wir sollten sicherstellen, dass es von menschlichen Akteuren gesteuert wird und diese nicht ersetzt. Nehmen wir zum Beispiel ein klinisches Entscheidungshilfesystem: So automatisiert und intelligent es auch sein mag, wird es niemals in der Lage sein, ärztliches Personal zu ersetzen. Es wird jemand gebraucht, der Patienten ganzheitlich sieht, der mit den Patienten und ihren Angehörigen spricht, jemanden,
der den “machine bias” korrigiert und die Entscheidungen tatsächlich zusammen mit den Patienten trifft und umsetzt. Die Entscheidungsunterstützung ist jedoch ein hervorragendes
Instrument zur Navigation in der zunehmenden Menge an Daten und Informationen, die Angehörigen der Gesundheitsberufe zur Verfügung stehen. Anstatt Maschinen inhärent im Konflikt mit diesem menschlichen Element anzusehen, sollten wir uns darauf konzentrieren, wie Maschinen unsere Fähigkeiten erweitern können.

Welche Erwartungen habt ihr an die Deutschen Regulationsbehörden und die Politik?

Wir sind glücklicherweise nicht besonders von Regulierung betroffen. Aber wenn wir an gesamtgesellschaftliche, von der Politik beeinflussbare Entwicklungen denken, gibt es aus
unserer Sicht ein paar wichtige Themen: In Anbetracht des exponentiellen Wissenszuwachses in der Medizin und den immer potenteren digitalen Möglichkeiten muss ein Umdenken stattfinden – sowohl in der medizinischen Ausbildung als auch in der Berufsausübung. Die Erwartung des “Halbgottes in Weiß”, der alles
kann und alles weiß, sollte vielleicht abgelöst werden von einem “partnerschaftlichen Gesundheitsmanager auf Augenhöhe”, der Zeit für den Menschen mitbringt, aber auch offen mit
eigenen Limitationen umgehen kann.

Ein weiteres systemisches Hindernis ist die Art und Weise, wie Anreize für Gesundheitsdienstleister gesetzt werden. Natürlich möchten alle effizient sein und ihre Ressourcen mit Bedacht einsetzen. Anreize sollten jedoch immer auf der Grundlage der
Patientenergebnisse bestimmt werden. Wenn beispielsweise Chirurginnen und Chirurgen wissen, dass sie für die Rentabilität ihrer Abteilung verantwortlich sind und dass es finanziell
lohnender ist, Operationen durchzuführen, beeinflusst dies die Art und Weise, wie sie die Behandlungsoptionen abwägen. Patienten profitieren nicht unbedingt von dieser Anreizstruktur.

Eine erhebliche Rolle spielt auch die Aufwertung der Gesundheitsberufe. In Zeiten von COVID-19 haben wir erfahren, wie knapp wir an manchen Stellen besetzt gewesen wären, denn das
jahrelange “ökonomisieren” des Gesundheitsbereiches wurde und wird auf den Rücken der Patienten und Gesundheitsberufe ausgetragen. Der Gap zwischen gesellschaftlicher Bedeutung und gesellschaftlicher sowie auch finanzieller Anerkennung geht immer weiter auseinander und verfügbares Personal wird knapper. Die Resultate der Medizin, ähnlich wie die der Bildung, profitieren aber gerade von einem relativ hohen Personaleinsatz. Es handelt sich nicht um ein klassisch “produzierendes Gewerbe”, an das industrietypische Performancestandards geknüpft werden könnten.

Die Politik hat zudem natürlich Einfluss auf die Datenschutzbestimmungen, die in hohem Maße bestimmen, wie Patientendaten erhoben und auch weiter verwendet werden können. Die elektronische Patientenakte soll ja zumindest kommen. Es wird spannend sein, in welchem Format und mit welchen Daten das passiert.

In Dänemark beispielsweise wurde bereits 1977 ein nationales Patientenregister eingerichtet, das Daten zu Krankenhausbesuchen und Diagnosen sammelt und eine Plattform bietet, über
die Patienten und verschiedene Gesundheitsdienstleister auf diese Informationen zugreifen können. Dieses Register ermöglicht umfangreiche Analysen von Gesundheitsdaten und Meta-
Beobachtungen, die dann der gesamten Gesellschaft wieder zugute kommen können. Es wäre sehr vorteilhaft, wenn andere Länder diesem Beispiel folgen würden.

Was ist derzeit der limitierende Faktor für euer Wachstum?

Wir wachsen sehr schnell in vielen Bereichen und es tun sich immer mehr vielversprechende, neue Möglichkeiten auf. Limitierend ist dabei wahrscheinlich am ehesten die Anstellung erfahrener Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. AMBOSS expandiert seit geraumer Zeit und sucht an einigen wichtigen Stellen erfahrene, aufgeschlossene und motivierte Mitarbeitende. Da wir recht hohe Ansprüche haben, ist es nicht so leicht, in diesen ohnehin meist stark umkämpften Bereichen die richtigen für uns zu finden. Es darf sich aber gerne jeder melden, der sich angesprochen fühlt und unsere Vision teilt: https://www.amboss.com/us/jobs

Wo seht ihr euer Unternehmen konkret in 20 Jahren?

Wir werden alles daran setzen, dass wir in 20 Jahren einem Großteil der medizinischen Weltbevölkerung – wo auch immer sie im Einzelnen sein mag – schnell, verlässlich und verständlich Antworten auf ihre medizinischen Fragen geben können. Es gibt keinen Grund, warum Klinikerinnen und Klinikern Zugang zu diesen Antworten und diesem Wissen verwehrt bleiben sollte – es ist wie eine Art Grundrecht, nicht zuletzt auch zugunsten der Patienten. Das schließt ganz bewusst auch Low- und Middle-Income-Countries ein, bei denen wir auch heute schon auf hohe Resonanz stoßen und für die wir alternative Zugangsmodelle entwickeln.

Beispielsweise stellen wir syrischen Medizinstudierenden AMBOSS kostenfrei zur Verfügung der statten humanitäre Hilfsorganisationen mit AMBOSS aus. Die Vision vom ubiquitären Zugang zu unseren Informationen und dem Nutzen daraus ist, was uns antreibt und immer antreiben wird.

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ottonova: gesundheit, die bereits digital ist.
Roman Rittweger im Interview

Wer bist Du und wie beschreibst Du Deinen Drive im Bereich digitaler Medizin, Deine Rolle?

Ich habe einen Background als Mediziner und Unternehmensberater. Vor ottonova hatte ich bereits ein Start-up gegründet, einen Serviceanbieter für Krankenversicherte, der digitale Leistungen an Krankenversicherungen verkaufte. Ich merkte hier jedoch sehr schnell, dass die Versicherungen das Angebot zwar sehr spannend fanden, es aufgrund ihrer komplexen Abläufe aber kaum tatsächlich implementieren konnten. Damals wurde mir klar: Wenn du wirklich etwas bewegen willst und Versicherten einen Mehrwert durch die Digitalisierung bieten möchtest, dann musst du selbst die Krankenversicherung sein. Und so entstand die Idee für ottonova.

Was tut das Unternehmen? Wie lange gibt es Euch schon? Wer sind Eure Kunden?

ottonova ist der erste digitale Krankenversicherer Deutschlands. Wir haben das Unternehmen 2015 gegründet und im Juni 2017 die Zulassung der BaFin erhalten, mit der wir selbst Versicherungsprodukte entwickeln und anbieten können. Wir sprechen eine junge und digital-affine Zielgruppe an und nutzen digitale Tools, um möglichst kundenfokussiert zu sein. Denn Kundenzufriedenheit ist für uns das, was am meisten zählt.

Was ist Dein USP, Dein Alleinstellungsmerkmal?  

Ich kann ein wenig in die Zukunft des Gesundheitswesens schauen, daraus Innovationen ableiten und Menschen dafür begeistern.

Was ist der USP des Unternehmens?

Wir bei ottonova verstehen uns als einer der Wegbereiter für die Digitalisierung der Gesundheitsbranche. Bei uns läuft alles digital, von der Kundengewinnung über den Kundenkontakt mittels unserer eigens entwickelten App bis hin zur Leistungseinreichung. 

Für unsere Versicherten bedeutet unser digitales Konzept vor allem Einfachheit und Schnelligkeit: Mit wenigen Klicks Arzttermine vereinbaren, den richtigen Arzt finden, Rechnungen einreichen und in kürzester Zeit erstattet bekommen. 

Wo siehst Du die größten Chancen und das größte Potenzial in der Digitalisierung der Gesundheit? Wieso? 

Wissen kann in Zukunft viel besser zur Verfügung gestellt werden. Heute gibt es im Gesundheitswesen noch viele Fehlentscheidungen vor Ort. Das können wir basierend auf Datenverfügbarkeit in Zukunft drastisch reduzieren.

Wo seht Ihr in Eurem speziellen Sektor die größten Chancen und das größte Potenzial? Wieso? 

Die Digitalisierung wird den Umgang mit Gesundheitsdaten stark verbessern und Patienten dadurch bessere Leistungen anbieten können, um gesund zu werden und gesund zu bleiben. Wenn Versicherte ihr Leben lang auf alle relevanten Gesundheitsinformationen in Form von Daten zurückgreifen können, kann ihnen immer präziser geholfen werden. Außerdem werden sehr viele zeitaufwändige Abstimmungen mit verschiedenen Playern der Branchen gebündelt und beschleunigt. Hier hinken wir teilweise noch erheblich hinterher, weil Prozesse schlicht noch nicht digitalisiert worden.

Wo konkret siehst Du das größte Marktpotenzial in der digitalen Gesundheit in den kommenden Jahren und wieso?

Die Grundlage für einen guten Austausch von Daten zu legen und erste Usecases erfolgreich zu fahren.

Wo seht Ihr als Unternehmen das größte Marktpotenzial in der digitalen Gesundheit in den kommenden Jahren und wieso?

Der Einsatz von Daten wird uns in den nächsten Jahren weiterhin sehr stark beschäftigen. Während viele Daten bereits vorliegen, müssen wir sie vor allem in Deutschland noch nutzbar machen: Strukturieren, analysieren, Ableitungen treffen, in konkrete Einsatzgebiete übertragen. Durch strenge Regularien und veraltete Strukturen haben wir hier auf politischer Ebene viel Zeit verstreichen lassen und stützen uns noch viel zu oft auf manuelle Prozesse. Hier steckt viel Potenzial drin, um die Gesundheitsbranche mittels der Nutzung Daten weiterzuentwickeln.

Was ist Dein konkreter Ratschlag an Gründer und Investoren im Bereich digital health? 

Versteht Euer Umfeld gut! Das ist im Gesundheitswesen wichtiger als in anderen Industrien.

Was können Gründer und Investoren von Eurem Unternehmen lernen und welchen Rat mitnehmen?

Man sollte immer die ungeheure Komplexität des Gesundheitswesens beachten, wenn es um die Planung und Umsetzung von neuen Geschäftsideen geht. Wir haben es hier mit einem eher intransparenten, nichtlinearen System zu tun. Das Prinzipal-Agenten-Dilemma macht es nicht leichter: Die Zahler und die Nutzer sind nicht identisch, das erschwert es, die Kräfte des Wettbewerbs zu entfachen. Denke trotzdem immer an den Kunden und vertraue auf die langfristig wirkenden Kräfte des Wettbewerbs!