HelloBetter: Nachhaltige Verbesserung des psychischen Gesundheitssystems und Bereitstellung gerechter e-mental health Behandlungen weltweit

HelloBetter – das Berliner Team, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, so viele Menschen wie möglich zu befähigen, ihre eigene psychische Gesundheit zu managen und ihre Lebensqualität zu verbessern – überall und jederzeit, ohne Wartelisten.

Interview von Emily Fawkner
Was macht HelloBetter ganz konkret und wie beschreibt Ihr Eure Rolle im Bereich digitaler Medizin?

Mit HelloBetter verfolgen wir eine klare Vision: Wir wollen das System der psychischen Gesundheitsversorgung neu denken und effektive Angebote zur Prävention und Behandlung psychischer Erkrankungen für alle Menschen weltweit zugänglich machen – niedrigschwellig und kostengünstig. Auf der ganzen Welt leiden fast eine Milliarde Menschen unter psychischen Beschwerden und der Großteil von ihnen erhält keine angemessene Hilfe: In Deutschland zum Beispiel können nur zwei von fünf Menschen mit psychischen Beschwerden mit irgendeiner Form der Versorgung rechnen. Nur eine von vier Personen mit psychischen Beschwerden wird von dafür ausgebildeten Fachärzten, also Psychotherapeuten oder Psychiater behandelt, der große Rest von Allgemeinmedizinern. 

2020 war für viele beruflich und persönlich eine Achterbahnfahrt. Für viele Unternehmen war es ein Beschleuniger, während andere darunter litten. Wie war 2020 für HelloBetter und wie hat sich COVID-19 auf HelloBetter ausgewirkt?

Mit HelloBetter leisten wir Hilfe zur Selbsthilfe. Das senkt die Barrieren in der Versorgung radikal und reduziert die immensen Kosten psychischer Beschwerden. Wir wollen erreichen, dass mehr Menschen als je zuvor eine qualitativ hochwertige Versorgung erhalten.

Die Corona-Pandemie hat sich stark auf die mentale Gesundheit der Menschen auf der ganzen Welt ausgewirkt. Das wird sich auch in 2021 nicht ändern. Seit das Virus im März Deutschland erreichte und die ersten Corona-Maßnahmen eingeführt wurden, verzeichnen wir eine starke Nachfrage nach psychologischen Hilfsangeboten. Wir haben daher nicht lange gezögert und unterstützt von der Allianz ein umfangreiches, kontaktloses psychologisches Hilfsangebot auf die Beine gestellt: Unsere Initiative Stark durch die Krise #sddk bündelt verschiedene kostenlose Maßnahmen, um diejenigen zu unterstützen, die in der Krise einen ersten Anlaufpunkt für ihre psychische Gesundheit benötigten. Das Angebot ist weltweit auf Deutsch und Englisch unter starkdurchdiekrise.de bzw. calmthroughthecrisis.com zu erreichen. 

Insgesamt hat sich 2020 die Zahl derjenigen, die eines unserer Online-Trainings in Anspruch nahmen, mehr als verdreifacht. Daher werden wir bei HelloBetter auch 2021 alles daran setzen, unserer Vision ein Stück näher zu kommen: allen Menschen einen einfachen, schnellen und niedrigschwelligen Zugang zu wirksamen psychotherapeutischen Angeboten zu ermöglichen.

 

HelloBetter.de
Was ist HelloBetter’s Alleinstellungsmerkmal? Wo schafft die Digitalisierung damit einen Mehrwert?

Ein Alleinstellungsmerkmal von HelloBetter ist unsere wissenschaftliche Vorgehensweise. Wir investieren viel Zeit in Recherche und Entwicklung und unsere Online-Trainings werden in mehrjährigen Studien immer wieder auf ihre Wirksamkeit geprüft. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Wir sind das Start-up mit der weltweit größten Evidenz für die Wirksamkeit seiner Lösungen zur Behandlung psychischer Beschwerden. Außerdem arbeiten wir mit einem wissenschaftlichen Beirat zusammen, dessen wertvoller Blick von Außen stets in die Weiterentwicklung von HelloBetter mit einfließt. All das hebt unser Produkt auf das höchstmögliche Niveau. 

Studien zu Folge liegt der Hauptgrund dafür, dass so wenige Betroffene in Kontakt mit dem Gesundheitssystem treten auch darin, dass viele Menschen ihre Probleme lieber selbstständig lösen möchten, anstatt auf Ärzte oder Psychotherapeuten angewiesen zu sein. Hier schafft die Digitalisierung einen Mehrwert, denn mit unseren Online-Trainings befähigen wir Menschen, die Lösung ihrer Beschwerden proaktiv in die Hand zu nehmen. Dabei profitieren auch diejenigen von unserem Angebot, die keinen Therapieplatz bekommen oder sich noch auf einer Warteliste befinden.

Auch Hausärzte, Fachärzte und Psychiater können die Online-Trainings dazu nutzen, die Versorgung von Patientinnen mit psychischen Beschwerden zu verbessern. Psychotherapeutinnen können ihren Patienten auf der Warteliste dabei helfen, die Zeit bis zum Therapiestart zu überbrücken und ermöglichen Patientinnen, die keine klassische Therapie benötigen, Zugang zu wissenschaftlich erwiesenermaßen wirksamen Programmen die ihnen zeitnah dabei helfen ihre psychische Gesundheit zu stärken bzw. wieder herzustellen.

Was waren einige der größten Herausforderungen, die HelloBetter bewältigen musste, um an den aktuellen Punkt zu gelangen? 

Auf jeder Etappe der Unternehmensentwicklung von HelloBetter gab es zahlreiche Herausforderungen und Hürden aber das gehört dazu. Anfangs ging es noch verstärkt um die Überwindung der initialen Widerstände in der klinischen Forschung und auf Seite der Therapeuten gegenüber digitalen Gesundheitsanwendungen. Wir stoßen zwar auch heute immer wieder auf Widerstände aber die Offenheit gegenüber der Digitalisierung des Gesundheitswesens wächst, das stimmt mich optimistisch.

Vor mehr als fünf Jahren, als HelloBetter noch unter dem alten Markennamen Get On gestartet ist, war das Verständnis und die Akzeptanz digitaler Gesundheitsanwendungen natürlich nicht vergleichbar mit heute. Einen großen Versicherer als Partner zu überzeugen, der unsere Produkte auch in die Routineversorgung bringt, gleiche Wirksamkeit wie in den Forschungsprojekten – das war schon eine große Herausforderung. Aber wir haben es geschafft und konnten die Barmer von uns überzeugen. Bis heute arbeiten wir sehr gut und vertrauensvoll zusammen.

Ganz klar: Das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) fordert natürlich auch uns bei HelloBetter heraus. Damit eine digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) gelistet wird und somit allen gesetzlich Versicherten (insgesamt 73 Mio. Menschen) verschrieben werden kann, müssen hohe regulatorische Hürden in Sachen Datenschutz, Datensicherheit und Barrierefreiheit überwunden werden. Die Evidenz der DiGAs wird akribisch geprüft. Das ist aber auch gut so, denn verschreibbare DiGAs, die sich als nicht wirksam erweisen, könnten den Gesundheitszustand der Nutzerinnen verschlechtern und schließlich zum Vertrauensverlust bei Ärzten und Patienten im Allgemeinen führen. Wir von HelloBetter befinden uns mit einigen unserer Online-Trainings im Prüfverfahren und werden zeitnah ein erstes Produkt in die psychotherapeutische Regelversorgung bringen. 

Was ist derzeit der limitierende Faktor für Euer Wachstum?

Ich denke, da geht es uns ähnlich wie vielen anderen schnell wachsenden Start-ups da draußen: die Finanzierung ist ein Dauerthema. Mit mehr Geld könnten wir mehr bewegen.

Außerdem hängt unser Wachstum natürlich auch stark von der Bekanntheit und Akzeptanz bei Ärztinnen, Psychotherapeuten und Psychiaterinnen ab.

Welche Erwartungen habt Ihr an die Deutschen Regulierungsbehörden und die Politik?

Damit DiGAs ein Erfolg werden, Bedarf es flächendeckender Aufklärung – Ärzten, Psychotherapeutinnen, Psychiatern und Patientinnen müssen die Vorteile von DiGAs verstehen, um sie zu verschreiben bzw. Nutzen zu wollen. Fachpersonal kann sich beispielsweise in zertifizierten Fortbildungen über den aktuellen Stand der Forschung aber auch zum konkreten Verschreibungsprozess von DiGAs informieren. Auch HelloBetter organisiert aktuell eine CME zertifizierte Online-Fortbildung für Fachpersonal, die Mitte März stattfinden wird.

Ein ganz wichtiges Thema ist zudem der Verschreibungsprozess. Dieser sollte möglichst reibungslos und voll digital erfolgen. Bisher löst ein Großteil derjenige die eine DiGA Voraussetzung für die Akzeptanz und den Erfolg von DiGAs. 

Letztlich ist auch die Gewährleistung einer den Therapieerfolg angemessenen Vergütung für digitale Gesundheitsanwendungen eine Voraussetzung für die erfolgreiche Entwicklung von HelloBetter und für die Entwicklung hochqualitativer DiGAs insgesamt. Die pauschale Festsetzung von Höchstpreisen wird der Komplexität des Sektors nicht gerechnet, da es große Unterschiede u.a. hinsichtlich des Evidenzniveaus und der Wirksamkeit gibt. Es ist wichtig die Vielfalt von DiGAs regulatorischen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen und klare Anreize – auch bei der Vergütung – für eine möglichst hohe Qualität zu setzen. 

HelloBetter durchläuft derzeit den DiGA-Prüfungsprozess. Wie war diese Erfahrung? Welchen Rat würden Sie anderen Digital-Health-Unternehmen geben, die ihre Anträge stellen werden? 

Im Zuge des DiGA-Prüfungsprozesses nimmt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die korrekte Planung und Durchführung der vorgelegten Studien unter die Lupe. Das betrifft sowohl die statistischen Analysen als auch die korrekte Planung der Studien gemäß ISO Norm. Meine Empfehlung an alle Unternehmen, die einen Antrag stellen, ist deshalb: Setzt euch vorher gründlich mit der ISO 14155 (Klinische Prüfung von Medizinprodukten an Menschen – Gute klinische Praxis) auseinander und stellt sicher, dass alle Dokumente, die in der ISO gefordert werden (Prüfplan, Studienbericht etc) vorhanden und leicht zugängig sind.

Wir haben außerdem gelernt, dass es zur Zeit schwierig ist, den Antragsprozess mit Metaanalysen zu durchlaufen. Die Komplexität solcher Anträge macht es für das Bfarm leichter, sie anzugreifen. Dies führt aber dazu, dass Anwendungen mit viel Evidenz nicht in das Verzeichnis aufgenommen werden. Und solche Anwendungen mit gar keiner Evidenz, die auf Erprobung in das Verzeichnis aufgenomme n werden wollen, haben es leichter. Deshalb ist aktuell der Anteil von EprobungsDiGA im Verzeichnis des Bfarm auch so hoch.

Welche Veränderungen wünschen Sie sich für das Ökosystem der digitalen Gesundheit? Und wonach sucht HelloBetter konkret?

Wir wünschen uns, dass in naher Zukunft digitale Anwendungen wie unsere ein ganz natürlicher Teil der Versorgung sein werden. Patienten sollten problemlos alle notwendigen Informationen in verständlicher Form erhalten. Wir hoffen, dass es zukünftig auch ein reibungsloses Zusammenspiel zwischen digitalen und Offline-Angeboten geben wird. Dies würde es uns ermöglichen Betroffenen jederzeit und überall Zugang zu unterschiedlichen Formen wirksamer Psychotherapie anzubieten und so einen niedrigschwelligen Zugang zu dem jeweils passenden Hilfsangebot zu ermöglichen.

Mit Blick auf die Zukunft, was ist der Schwerpunkt von HelloBetter im Jahr 2021 und wo sehen Sie Ihr Unternehmen in den nächsten Jahren?

Unser Ziel ist es, dass jeder Mensch kostenfrei –d.h. als Versicherungsleistung – Zugang zu unseren Programmen bekommen kann. Langfristig wollen wir die Versorgungssituation im Bereich Psyche gegenüber heute weltweit spürbar verbessern. Zustände wie derzeit üblich, dass zum Beispiel 99 Prozent aller Schlafstörungen nicht leitliniengerecht behandelt werden, soll es in Zukunft nicht mehr geben. Wir wollen dazu beitragen, dass Hausärztinnen nicht direkt Medikamente verschreiben, da diese oft wenig bringen und manchmal eine Abhängigkeit verursachen. Die kognitive Verhaltenstherapie ist gerade bei Schlafstörungen besonders wirksam. Daher sollten Patienten zunächst eine digitale Gesundheitsanwendung ausprobieren, bevor Psychopharmaka zum Einsatz kommen. Diesen Ansatz – ein sogenanntes Stepped-Care Modell – untersuchen wir gerade wissenschaftlich in Europas größter Schlafstudie Get Sleep. Bald werden Psychotherapeuten HelloBetter auch in ihrer täglichen Arbeit mit Patientinnen nutzen können. Wir werden es Ihnen ermöglichen einige psychotherapeutische Inhalte und vor allem die praktischen Übungen “auslagern” bzw. digital zu begleiten und so sowohl die Therapie selbst, aber insbesondere auch die Nachsorge weiter zu verbessern. 

Neben unserer bestehenden Produktangebot, werden wir natürlich auch weiterhin in der Entwicklung und der klinischen Forschung aktiv sein. Zum einen wollen wir neue Produkte entwickeln, mit denen wir Störungsbilder behandeln können, die wir bisher noch nicht abdecken. Zum anderen werden wir die Wirksamkeit neuer sowie bestehender Produkte weiter erforschen und kontinuierlich verbessern. Hier liegt eine der großen Chancen die digitale Gesundheitsanwendung bieten. Eine Pille die einmal zugelassen wurde, wird teilweise ohne Veränderung jahrzehntelang genau gleich hergestellt und verordnet. Bei DiGAs hingegen sammeln wir täglich eine Unmenge an Daten in der Routine und können unser Produkt so kontinuierlich verbessern.

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