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Hannes Klöpper – CEO & Gründer von HelloBetter im Interview

Hannes Klöpper ist der Gründer und CEO von HelloBetter, einem weltweit führenden Unternehmen im Bereich der digitalen psychischen Gesundheitspflege. Er ist ein international anerkannter Experte auf dem Gebiet des Online-Lernens und ich hatte das Vergnügen, ihn als unseren ersten #MAKER des Jahres 2021 zu interviewen – um seine Perspektiven für die digitale psychische Gesundheit in Deutschland zu erfahren.

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Hallo Hannes, frohes neues Jahr und vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview als unser erster Interviewpartner für 2021 genommen haben!

Liebe Emily, sehr gerne, herzlichen Dank für die Anfrage.

Ich war sehr beeindruckt, als ich Sie letztes Jahr in Berlin kennen lernte. Können Sie sich für unsere Community bitte selbst beschreiben, was Ihre Rolle in der digitalen Medizin ist und woher dieser Antrieb von Ihnen kommt?

Vor meiner Zeit bei HelloBetter habe ich das Education-Startup iversity 2011 gegründet, das 2017 an Springer Nature verkauft. Daraufhin verließ ich das Unternehmen und wurde etwa ein Jahr später von meinem Freund David Ebert, einem der Mitgründer von HelloBetter, angesprochen. Wir stellten schnell fest, dass meine Erfahrung die Kernkompetenzen des bestehenden Gründungsteam gut ergänzten und beschlossen den weiteren Aufbau des Unternehmens gemeinsam voran zu treiben. 

An HelloBetter reizte mich besonders, dass es nicht das typische Startup ist, das von drei BWLern gegründet wurde, um eine schnelle Mark zu machen. Vielmehr ist es als Ausgründung aus der Wissenschaft entstanden: Die drei Gründerinnen haben alle in Psychologie promoviert und arbeiten mittlerweile seit einem Jahrzehnt in diesem Feld. Zudem gibt es im Produkt starke Parallelen zu iversity: Im Kern ist auch HelloBetter ein Bildungsprodukt. Unsere Online-Trainings vermitteln Hilfe zur Selbsthilfe und befähigen Menschen ihre psychische Beschwerden durch Verhaltensänderungen eigenständig zu lindern.

Zudem hat das Thema Gesundheit in meiner Familie seit jeher eine große Rolle gespielt. Meine beiden Eltern sowie mein Bruder sind Ärzte. Mit psychischen Erkrankungen und mit der Psychotherapie war ich zudem auch in meinem persönlichen Umfeld immer wieder konfrontiert. So habe ich erlebt, welche großen Veränderungen sie erreichen kann, aber auch wie schwierig und langwierig sich die Suche nach professioneller Hilfe oft gestaltet. Die Versorgung von Menschen mit psychischen Beschwerden weist leider erhebliche Defizite auf: Obwohl wir in Deutschland eines der besten Gesundheitssysteme weltweit haben, wird mehr als die Hälfte aller Menschen die an psychischen Erkrankungen leiden, leider nie diagnostiziert oder behandelt. Dies wollen wir ändern. 

Für mich war immer klar, dass ich an etwas Sinnvollem arbeiten wollte. Mit meiner Arbeit an HelloBetter kann ich nun meinen Teil dazu beitragen, dass sich die Versorgung von Menschen mit psychischen Beschwerden – zunächst in Deutschland und mittelfristig weltweit verbessert.

Wenn man bedenkt, dass Sie an der Schnittstelle von Psychologie und digitaler Gesundheit arbeiten, was sehen Sie als Ihren USP? Darüber hinaus was genau findet in Ihrem Alltag schon alles digital statt? Wo schafft die Digitalisierung damit einen Mehrwert?

Lassen Sie mich mit dem zweiten Teil der Frage anfangen. Auch hier gibt es Parallelen zu meiner Zeit bei iversity. Es ist doch wirklich erstaunlich, wie sehr die Digitalisierung mittlerweile alle privaten Lebensbereiche durchdringt. Aber in der Bildung – dies wird uns derzeit aufgrund von Corona ja sehr schmerzlich vor Augen geführt – wie auch in der Medizin wird das Potential der Digitalisierung bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Natürlich gibt es eine Vielzahl von Apps, aber bisher wurden diese kaum in der kassenfinanzierten Regelversorgung genutzt. Dies beginnt sich nun zu ändern. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die neuen digitalen Angebote ihre Wirksamkeit unter Beweis stellen. Und genau da liegt unser USP. Forschung  ist eine der großen Stärken von HelloBetter. Wir konnten in bisher 33 randomisiert-kontrollierten klinischen Studien – dem Goldstandard der wissenschaftlichen Wirksamkeitsforschung – nachweisen, dass unsere Produkte wirksam sind. Dabei ist die Effektstärke – also die quantifizierte Reduktion der Symptomatik eines Patienten – wirklich beeindruckend. Wir erzielen mit fast allen unserer Produkte Effektstärken die mit denen der Face-to-Face Psychotherapie vergleichbar sind. 

Nun mit Blick in die Zukunft: Wo sehen Sie die größten Chancen und Potenziale in der Digitalisierung des Gesundheitswesens, insbesondere in Ihrer Branche? Wieso?

Während eines jeden Jahres leidet mindestens jeder vierte Erwachsene in Deutschland an einer psychischen Erkrankung wie einer Depression. Nur ein kleiner Anteil sucht proaktiv nach Hilfe, um die Beschwerden zu lindern: 9 % aller erwachsenen Versicherten haben in den letzten drei Jahren wegen eines psychischen Problems einen Psychotherapeuten aufgesucht. Das ist ein Problem, denn wenn Menschen mit psychischen Beschwerden nicht rechtzeitig erreicht werden, können sich Beschwerden verschlimmern. Man spricht davon, dass sie chronifizieren. Die Behandlung ist dann langwieriger, kostspieliger für die Versicherungen und unangenehmer für die Patientinnen. Das lässt sich verhindern, wenn Betroffene früher im Erkrankungsprozess erreicht werden. Digitale Anwendungen wie die Online-Trainings von HelloBetter können dabei helfen, diese Menschen frühzeitig zu erreichen. Eine klassische Psychotherapeutin betreibt ja kein aktives Marketing, denn die Leute stehen ohnehin bei ihr Schlange. Wir betreiben Aufklärung, bieten einen Überblick über Behandlungsoptionen und ein einfach zugängliches, skalierbares Angebot jenseits der herkömmlichen Psychotherapie. So helfen wir mit die dramatische Versorgungslücke zu schließen unter der sehr viele Menschen schwer leiden. 

Ich bin auch neugierig auf Ihre Erkenntnisse über das Marktpotenzial im Bereich der digitalen Gesundheit, insbesondere im Bereich der psychischen Gesundheit. Wo konkret sehen Sie das größte Marktpotenzial in der digitalen Gesundheit in den kommenden Jahren und wieso?

Der ganze Bereich der das Verhalten betrifft – also das was man im englischen Behavioural Health nennt – erlebt derzeit einen enormen Boom. Das ist das Thema Psyche, aber auch all jene somatischen Erkrankungen, bei denen das eigene Verhalten einen großen Einfluss auf ihren Verlauf haben – zum Beispiel Diabetes. Hier bieten digitale Angebote die die Patienten im Lebensalltag begleiten, beraten, erinnern und motivieren am Ball zu bleiben unendlich viele neue, spannende Möglichkeiten für effektive Therapien. Wir haben durch die Wirksamkeit vieler Medikamente eine völlig eindimensionale Vorstellung der Medizin entwickelt. Medizin ist nicht bloß Pillen schlucken. Unser eigenes Verhalten hat einen enormen, vielfach entscheidenden Einfluss auf unsere Gesundheit. Da müssen wir ansetzen. Und dank der nahezu universellen Verbreitung von Smartphones können wir dies nun auf ganz neue Weise. Durch die Analyse der Daten die die Nutzer dabei generieren können wir die Wirksamkeit unterschiedlicher Therapieansätze praktisch live verfolgen und diese auf Grundlage dieser Daten aus dem Behandlungsalltag an individuelle Bedürfnisse anpassen und stetig weiter verbessern. 

Ich erinnere mich, einen sehr aufschlussreichen Artikel gelesen zu haben, den Sie auf LinkedIn zum Thema „Ratschläge für Investoren“ geschrieben haben. Welche Erfahrungen haben Sie dazu veranlasst, das zu schreiben, und können Sie Ihre Kernpunkte aus dem Artikel teilen?

Ach, das waren eher Beobachtungen als Ratschläge. Es erschien mir in gewisser Weise ironisch, dass Investoren immer “Fokus” predigen, sich aber selbst nicht festlegen wollen ob sie nun in der Frühphase oder eher später investieren, nur Unternehmen in bestimmten Branchen oder Ländern in Betracht ziehen etc. 

Das macht den Prozess der Kapitalsuche für Unternehmer langwierig und nervenaufreibend, weil der berühmte “Fit” schwer erkennbar ist und man daher sehr viele Gespräche umsonst führt. Daraus habe ich die Forderung abgeleitet, dass sie doch bitte ihren eigenen Worten Taten folgen lassen und klarstellen sollten, wo ihr Fokus eigentlich liegt. 

Sie haben aus ihrer Zeit bei iversity und bei HelloBetter einige Gründungserfahrung. Welche Ratschläge würden Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen aktuellen und zukünftigen Gründern im Bereich der digitalen Gesundheit geben?

Resilienz ist alles. Es wird immer Rückschläge geben. Als Gründer hat man den ganzen Tag nur mit Problemen zu tun. Denn die Dinge die gut funktionieren, verdienen keine Aufmerksamkeit. Das ist anstrengend. Schlaf, Sport, gesundes Essen sollte man auf keinen Fall unterschätzen. Die eigenen Ressourcen gilt es zu pflegen. Überdies sollte man sich nicht verrückt machen. Gerade im Tech-Startup Bereich gilt: die meisten Unternehmen scheitern! Man sollte seinen Job natürlich so gut wie möglich machen. Aber wenn das dann trotzdem nicht reicht, ist es wichtig sich nicht endlose Vorwürfe zu machen. 

COVID-19 hat die Veranstaltungslandschaft im Bereich Digital Health verändert. Welche drei Veranstaltungen sind also ein MUSS im Bereich Digital Health?

Die Frage kann ich leider gar nicht so gut beantworten, da wir 2019 voll auf dem Um- und Aufbau des Unternehmens fokussiert waren, so dass ich ganzen Jahr nur auf einer Konferenz war. Und 2020… naja. In Deutschland sind Frontiers of Health und Medica und international der Rock Health Summit sicher relevant. Angesichts des DVG werden bei uns allen sicherlich auch die Jahresversammlungen der Ärzte- und Psychotherapeutenverbände als wichtige Termine im Kalender stehen.

Es ist sehr wichtig, mit der Digital-Health-Community in Verbindung zu bleiben und auch über die neuesten Digital-Health-Nachrichten auf dem Laufenden zu sein. Welche Webseiten, Podcasts, Newsletter, Gruppen und Veranstaltungen finden Sie am hilfreichsten, um auf deutschem und internationalem Boden auf dem Laufenden zu bleiben?
  • Rock Health Podcast– führende digital Health Unternehmen aus den USA
  • Stigma Podcast – spezifisch bzgl. der Entwicklung im Bereich psychischer Gesundheit
  • Startup Notes – hier gibt es immer mal wieder Gespräche mit Gründern aus der deutschen digital health Szene

Hier können Sie sich mit Hannes verbinden:

https://www.linkedin.com/in/hanneskloepper/




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Company Interview

HelloBetter: Nachhaltige Verbesserung des psychischen Gesundheitssystems und Bereitstellung gerechter e-mental health Behandlungen weltweit

HelloBetter – das Berliner Team, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, so viele Menschen wie möglich zu befähigen, ihre eigene psychische Gesundheit zu managen und ihre Lebensqualität zu verbessern – überall und jederzeit, ohne Wartelisten.

Interview von Emily Fawkner
Was macht HelloBetter ganz konkret und wie beschreibt Ihr Eure Rolle im Bereich digitaler Medizin?

Mit HelloBetter verfolgen wir eine klare Vision: Wir wollen das System der psychischen Gesundheitsversorgung neu denken und effektive Angebote zur Prävention und Behandlung psychischer Erkrankungen für alle Menschen weltweit zugänglich machen – niedrigschwellig und kostengünstig. Auf der ganzen Welt leiden fast eine Milliarde Menschen unter psychischen Beschwerden und der Großteil von ihnen erhält keine angemessene Hilfe: In Deutschland zum Beispiel können nur zwei von fünf Menschen mit psychischen Beschwerden mit irgendeiner Form der Versorgung rechnen. Nur eine von vier Personen mit psychischen Beschwerden wird von dafür ausgebildeten Fachärzten, also Psychotherapeuten oder Psychiater behandelt, der große Rest von Allgemeinmedizinern. 

2020 war für viele beruflich und persönlich eine Achterbahnfahrt. Für viele Unternehmen war es ein Beschleuniger, während andere darunter litten. Wie war 2020 für HelloBetter und wie hat sich COVID-19 auf HelloBetter ausgewirkt?

Mit HelloBetter leisten wir Hilfe zur Selbsthilfe. Das senkt die Barrieren in der Versorgung radikal und reduziert die immensen Kosten psychischer Beschwerden. Wir wollen erreichen, dass mehr Menschen als je zuvor eine qualitativ hochwertige Versorgung erhalten.

Die Corona-Pandemie hat sich stark auf die mentale Gesundheit der Menschen auf der ganzen Welt ausgewirkt. Das wird sich auch in 2021 nicht ändern. Seit das Virus im März Deutschland erreichte und die ersten Corona-Maßnahmen eingeführt wurden, verzeichnen wir eine starke Nachfrage nach psychologischen Hilfsangeboten. Wir haben daher nicht lange gezögert und unterstützt von der Allianz ein umfangreiches, kontaktloses psychologisches Hilfsangebot auf die Beine gestellt: Unsere Initiative Stark durch die Krise #sddk bündelt verschiedene kostenlose Maßnahmen, um diejenigen zu unterstützen, die in der Krise einen ersten Anlaufpunkt für ihre psychische Gesundheit benötigten. Das Angebot ist weltweit auf Deutsch und Englisch unter starkdurchdiekrise.de bzw. calmthroughthecrisis.com zu erreichen. 

Insgesamt hat sich 2020 die Zahl derjenigen, die eines unserer Online-Trainings in Anspruch nahmen, mehr als verdreifacht. Daher werden wir bei HelloBetter auch 2021 alles daran setzen, unserer Vision ein Stück näher zu kommen: allen Menschen einen einfachen, schnellen und niedrigschwelligen Zugang zu wirksamen psychotherapeutischen Angeboten zu ermöglichen.

 

HelloBetter.de
Was ist HelloBetter’s Alleinstellungsmerkmal? Wo schafft die Digitalisierung damit einen Mehrwert?

Ein Alleinstellungsmerkmal von HelloBetter ist unsere wissenschaftliche Vorgehensweise. Wir investieren viel Zeit in Recherche und Entwicklung und unsere Online-Trainings werden in mehrjährigen Studien immer wieder auf ihre Wirksamkeit geprüft. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Wir sind das Start-up mit der weltweit größten Evidenz für die Wirksamkeit seiner Lösungen zur Behandlung psychischer Beschwerden. Außerdem arbeiten wir mit einem wissenschaftlichen Beirat zusammen, dessen wertvoller Blick von Außen stets in die Weiterentwicklung von HelloBetter mit einfließt. All das hebt unser Produkt auf das höchstmögliche Niveau. 

Studien zu Folge liegt der Hauptgrund dafür, dass so wenige Betroffene in Kontakt mit dem Gesundheitssystem treten auch darin, dass viele Menschen ihre Probleme lieber selbstständig lösen möchten, anstatt auf Ärzte oder Psychotherapeuten angewiesen zu sein. Hier schafft die Digitalisierung einen Mehrwert, denn mit unseren Online-Trainings befähigen wir Menschen, die Lösung ihrer Beschwerden proaktiv in die Hand zu nehmen. Dabei profitieren auch diejenigen von unserem Angebot, die keinen Therapieplatz bekommen oder sich noch auf einer Warteliste befinden.

Auch Hausärzte, Fachärzte und Psychiater können die Online-Trainings dazu nutzen, die Versorgung von Patientinnen mit psychischen Beschwerden zu verbessern. Psychotherapeutinnen können ihren Patienten auf der Warteliste dabei helfen, die Zeit bis zum Therapiestart zu überbrücken und ermöglichen Patientinnen, die keine klassische Therapie benötigen, Zugang zu wissenschaftlich erwiesenermaßen wirksamen Programmen die ihnen zeitnah dabei helfen ihre psychische Gesundheit zu stärken bzw. wieder herzustellen.

Was waren einige der größten Herausforderungen, die HelloBetter bewältigen musste, um an den aktuellen Punkt zu gelangen? 

Auf jeder Etappe der Unternehmensentwicklung von HelloBetter gab es zahlreiche Herausforderungen und Hürden aber das gehört dazu. Anfangs ging es noch verstärkt um die Überwindung der initialen Widerstände in der klinischen Forschung und auf Seite der Therapeuten gegenüber digitalen Gesundheitsanwendungen. Wir stoßen zwar auch heute immer wieder auf Widerstände aber die Offenheit gegenüber der Digitalisierung des Gesundheitswesens wächst, das stimmt mich optimistisch.

Vor mehr als fünf Jahren, als HelloBetter noch unter dem alten Markennamen Get On gestartet ist, war das Verständnis und die Akzeptanz digitaler Gesundheitsanwendungen natürlich nicht vergleichbar mit heute. Einen großen Versicherer als Partner zu überzeugen, der unsere Produkte auch in die Routineversorgung bringt, gleiche Wirksamkeit wie in den Forschungsprojekten – das war schon eine große Herausforderung. Aber wir haben es geschafft und konnten die Barmer von uns überzeugen. Bis heute arbeiten wir sehr gut und vertrauensvoll zusammen.

Ganz klar: Das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) fordert natürlich auch uns bei HelloBetter heraus. Damit eine digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) gelistet wird und somit allen gesetzlich Versicherten (insgesamt 73 Mio. Menschen) verschrieben werden kann, müssen hohe regulatorische Hürden in Sachen Datenschutz, Datensicherheit und Barrierefreiheit überwunden werden. Die Evidenz der DiGAs wird akribisch geprüft. Das ist aber auch gut so, denn verschreibbare DiGAs, die sich als nicht wirksam erweisen, könnten den Gesundheitszustand der Nutzerinnen verschlechtern und schließlich zum Vertrauensverlust bei Ärzten und Patienten im Allgemeinen führen. Wir von HelloBetter befinden uns mit einigen unserer Online-Trainings im Prüfverfahren und werden zeitnah ein erstes Produkt in die psychotherapeutische Regelversorgung bringen. 

Was ist derzeit der limitierende Faktor für Euer Wachstum?

Ich denke, da geht es uns ähnlich wie vielen anderen schnell wachsenden Start-ups da draußen: die Finanzierung ist ein Dauerthema. Mit mehr Geld könnten wir mehr bewegen.

Außerdem hängt unser Wachstum natürlich auch stark von der Bekanntheit und Akzeptanz bei Ärztinnen, Psychotherapeuten und Psychiaterinnen ab.

Welche Erwartungen habt Ihr an die Deutschen Regulierungsbehörden und die Politik?

Damit DiGAs ein Erfolg werden, Bedarf es flächendeckender Aufklärung – Ärzten, Psychotherapeutinnen, Psychiatern und Patientinnen müssen die Vorteile von DiGAs verstehen, um sie zu verschreiben bzw. Nutzen zu wollen. Fachpersonal kann sich beispielsweise in zertifizierten Fortbildungen über den aktuellen Stand der Forschung aber auch zum konkreten Verschreibungsprozess von DiGAs informieren. Auch HelloBetter organisiert aktuell eine CME zertifizierte Online-Fortbildung für Fachpersonal, die Mitte März stattfinden wird.

Ein ganz wichtiges Thema ist zudem der Verschreibungsprozess. Dieser sollte möglichst reibungslos und voll digital erfolgen. Bisher löst ein Großteil derjenige die eine DiGA Voraussetzung für die Akzeptanz und den Erfolg von DiGAs. 

Letztlich ist auch die Gewährleistung einer den Therapieerfolg angemessenen Vergütung für digitale Gesundheitsanwendungen eine Voraussetzung für die erfolgreiche Entwicklung von HelloBetter und für die Entwicklung hochqualitativer DiGAs insgesamt. Die pauschale Festsetzung von Höchstpreisen wird der Komplexität des Sektors nicht gerechnet, da es große Unterschiede u.a. hinsichtlich des Evidenzniveaus und der Wirksamkeit gibt. Es ist wichtig die Vielfalt von DiGAs regulatorischen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen und klare Anreize – auch bei der Vergütung – für eine möglichst hohe Qualität zu setzen. 

HelloBetter durchläuft derzeit den DiGA-Prüfungsprozess. Wie war diese Erfahrung? Welchen Rat würden Sie anderen Digital-Health-Unternehmen geben, die ihre Anträge stellen werden? 

Im Zuge des DiGA-Prüfungsprozesses nimmt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die korrekte Planung und Durchführung der vorgelegten Studien unter die Lupe. Das betrifft sowohl die statistischen Analysen als auch die korrekte Planung der Studien gemäß ISO Norm. Meine Empfehlung an alle Unternehmen, die einen Antrag stellen, ist deshalb: Setzt euch vorher gründlich mit der ISO 14155 (Klinische Prüfung von Medizinprodukten an Menschen – Gute klinische Praxis) auseinander und stellt sicher, dass alle Dokumente, die in der ISO gefordert werden (Prüfplan, Studienbericht etc) vorhanden und leicht zugängig sind.

Wir haben außerdem gelernt, dass es zur Zeit schwierig ist, den Antragsprozess mit Metaanalysen zu durchlaufen. Die Komplexität solcher Anträge macht es für das Bfarm leichter, sie anzugreifen. Dies führt aber dazu, dass Anwendungen mit viel Evidenz nicht in das Verzeichnis aufgenommen werden. Und solche Anwendungen mit gar keiner Evidenz, die auf Erprobung in das Verzeichnis aufgenomme n werden wollen, haben es leichter. Deshalb ist aktuell der Anteil von EprobungsDiGA im Verzeichnis des Bfarm auch so hoch.

Welche Veränderungen wünschen Sie sich für das Ökosystem der digitalen Gesundheit? Und wonach sucht HelloBetter konkret?

Wir wünschen uns, dass in naher Zukunft digitale Anwendungen wie unsere ein ganz natürlicher Teil der Versorgung sein werden. Patienten sollten problemlos alle notwendigen Informationen in verständlicher Form erhalten. Wir hoffen, dass es zukünftig auch ein reibungsloses Zusammenspiel zwischen digitalen und Offline-Angeboten geben wird. Dies würde es uns ermöglichen Betroffenen jederzeit und überall Zugang zu unterschiedlichen Formen wirksamer Psychotherapie anzubieten und so einen niedrigschwelligen Zugang zu dem jeweils passenden Hilfsangebot zu ermöglichen.

Mit Blick auf die Zukunft, was ist der Schwerpunkt von HelloBetter im Jahr 2021 und wo sehen Sie Ihr Unternehmen in den nächsten Jahren?

Unser Ziel ist es, dass jeder Mensch kostenfrei –d.h. als Versicherungsleistung – Zugang zu unseren Programmen bekommen kann. Langfristig wollen wir die Versorgungssituation im Bereich Psyche gegenüber heute weltweit spürbar verbessern. Zustände wie derzeit üblich, dass zum Beispiel 99 Prozent aller Schlafstörungen nicht leitliniengerecht behandelt werden, soll es in Zukunft nicht mehr geben. Wir wollen dazu beitragen, dass Hausärztinnen nicht direkt Medikamente verschreiben, da diese oft wenig bringen und manchmal eine Abhängigkeit verursachen. Die kognitive Verhaltenstherapie ist gerade bei Schlafstörungen besonders wirksam. Daher sollten Patienten zunächst eine digitale Gesundheitsanwendung ausprobieren, bevor Psychopharmaka zum Einsatz kommen. Diesen Ansatz – ein sogenanntes Stepped-Care Modell – untersuchen wir gerade wissenschaftlich in Europas größter Schlafstudie Get Sleep. Bald werden Psychotherapeuten HelloBetter auch in ihrer täglichen Arbeit mit Patientinnen nutzen können. Wir werden es Ihnen ermöglichen einige psychotherapeutische Inhalte und vor allem die praktischen Übungen “auslagern” bzw. digital zu begleiten und so sowohl die Therapie selbst, aber insbesondere auch die Nachsorge weiter zu verbessern. 

Neben unserer bestehenden Produktangebot, werden wir natürlich auch weiterhin in der Entwicklung und der klinischen Forschung aktiv sein. Zum einen wollen wir neue Produkte entwickeln, mit denen wir Störungsbilder behandeln können, die wir bisher noch nicht abdecken. Zum anderen werden wir die Wirksamkeit neuer sowie bestehender Produkte weiter erforschen und kontinuierlich verbessern. Hier liegt eine der großen Chancen die digitale Gesundheitsanwendung bieten. Eine Pille die einmal zugelassen wurde, wird teilweise ohne Veränderung jahrzehntelang genau gleich hergestellt und verordnet. Bei DiGAs hingegen sammeln wir täglich eine Unmenge an Daten in der Routine und können unser Produkt so kontinuierlich verbessern.

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