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Aline Vedder
im Interview

Wer bist Du und wie beschreibst Du Deinen Drive im Bereich digitaler Medizin, Deine Rolle?

Ich bin Investorin bei Ananda Impact Ventures. Ananda ist ein europäischer VC Fund, der sich auf Startups konzentriert, die mit ihren Produkten positiven Impact schaffen, z.B. Unternehmen im Digital Health, Sustainability oder Future of Work Sektor. In Impact-Unternehmen investieren wir nicht nur aus rein idealistischen Gründen, sondern vor allem weil wir fest daran glauben, dass Unternehmen, die sich mit den großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit auseinandersetzen immenses Momentum und Wachstumspotenzial haben. Der Digital Health Sektor ist ein wichtiger Investment-Fokus für uns und ich bin stolz darauf mit Portfoliounternehmen wie CASPAR Health, Anbieter von digitaler Reha, die Digitalisierung im Healthcare-Bereich vorantreiben zu können.

Was ist Dein USP, Dein Alleinstellungsmerkmal? Was exakt macht Euer Fund? Wo schafft Ihr einen Mehrwert?

Wir investieren in Impact Startups vor allem in DACH und UK. Initial zwischen einer und drei Millionen Euro und über den Investmentzyklus bis zu sieben Millionen Euro pro Startup. Wir investieren inzwischen aus unserem dritten Fonds und verfügen entsprechend über die notwendige Erfahrung, um Startups auf ihrem Wachstumspfad zu begleiten. Wir sind ein sehr unternehmerisch geprägtes Team und haben große Leidenschaft für das, was unsere Impact-Unternehmen tun. Zudem teilen wir als Impact Investoren die Vision unserer Healthcare Startups, den Patienten in den Mittelpunkt zu rücken und das Gesundheitssystem effizienter zu gestalten. Eines unserer Portfolio-Unternehmen, mika, bietet z.B. personalisiert digitale Therapie-Begleitung für Krebspatienten an. Patienten-Empowerment und proaktives Gesundheitsmanagement sind auch zwei der Themen, die durch digitale Technologien aktuell von Grund auf verändert und neu definiert werden.

Wo siehst Du die größten Chancen und das größte Potenzial in der Digitalisierung der Gesundheit? Wieso? 

Aktuell bestimmen im Gesundheitssystem Zahler und Anbieter die Bedingungen. Die Erfahrung der Patienten ist dabei in den Hintergrund gerückt. Das ändert sich durch die Digitalisierung zunehmend. Neue Unternehmen rücken durch technologische Innovationen Prävention und den Patienten in den Mittelpunkt. Das gesamte System muss das Recht des Patienten anerkennen, gleichberechtigter Partner bei seiner Behandlung zu sein. Ich glaube, dass in diesem Kontext z.B. Remote Patient Monitoring Systeme an Relevanz gewinnen werden. Diese können Versorgungslücken schließen und bieten dem Patienten die Möglichkeit seine Gesundheit proaktiv selbst zu managen und flexibel in seinen Alltag einzugliedern. Im Zuge der Covid-Pandemie haben wir gesehen, dass die Telemedizin global einen regelrechten Boost erfahren hat. Dieser Trend wird sich nicht mehr aufhalten lassen und den Alltag von Patienten aber auch Ärzten grundlegend verändern. Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel in der Medizin.  

Wo konkret siehst Du das größte Marktpotenzial in der digitalen Gesundheit in den kommenden Jahren und wieso?

KI wird zunehmend im Gesundheitswesen eingesetzt und hat das Potenzial, verschiedene Aspekte der Patientenversorgung fundamental zu verändern. Durch die Verarbeitung von bereits vorhandenen Datensätzen können nicht nur Anamnese und Diagnostik verbessert, sondern auch Behandlungsempfehlungen personalisierter und effizienter gestaltet werden. Spannend finde ich Produkte wie z.B. Kardia von AliveCor. Kardia ist ein mobiler EKG Herzmonitor, über App werden die EKG-Daten ausgewertet und dem Patienten mögliche Symptome aufgezeigt. Patienten können die gesammelten Informationen mit ihrem Arzt teilen und lernen mögliche Risiken besser zu managen. Außerdem spannend: Kardia trägt auch dazu bei, dass erstmals mehr kardiovaskuläre Daten von Frauen gesammelt werden. Die meisten Untersuchungen, Studien und auch Medikamente sind historisch auf Männer ausgerichtet. 

Was ist Dein konkreter Ratschlag an Gründer und Investoren im Bereich digital health? 

Mit dem Thema der Patientenzentrierung ergibt sich auch die Herausforderung der Patientenaktivierung. Sowohl Investoren als auch Digital Health Gründer bewegen sich oft in einem sehr kleinen Mikrokosmos und sind genau über die Benefits neuer digitaler Gesundheitsanwendungen informiert. Dieses Wissen zu teilen, Patienten abzuholen, ihr Vertrauen zu gewinnen und letztlich auch ihr aktives Nutzer-Engagement einzufordern, ist eine immense Herausforderung. Doch genau darauf kommt es an: Digital Health Startups dürfen nicht nur eine spitze Zielgruppe der digital affinen Oberschicht erreichen, sondern müssen vor allem auch die Patienten erreichen, die Unterstützung am dringendsten brauchen z.B. bei der Änderung ihrer Ernährung oder ihres Bewegungsverhaltens. Für viele Patienten werden die bestehenden Angebote gerade erst greifbar. Covid19 ist da sicherlich auch ein wichtiger Treiber. Wir müssen dafür sorgen, dass Digital Health ein Teil des New Normal wird und nicht nur in einer Bubble existiert. 

Welche drei Events sind absolute MUSTs im Bereich Digital Health, würdest Du also dringend empfehlen? 

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Interviews

Tobias Silberzahn
im Interview

Wer bist Du und wie beschreibst Du Deinen Drive im Bereich digitaler Medizin, Deine Rolle?

Ursprünglich bin ich Biochemiker und Immunologe und früher habe ich in der Krebs-Forschung gearbeitet. Seit 11 Jahren bin ich bei der Unternehmensberatung McKinsey und widme meine Arbeit ganz dem Thema „Innovation im Gesundheitsbereich“.

Meine Motivation kommt aus meiner persönlichen Geschichte: Ich habe mehrere Familienmitglieder an Krebs verloren. Als vor 4-5 Jahren in kurzer Reihenfolge mein Vater an Krebs starb und unsere beiden Kinder auf die Welt kamen, fühlte sich das für mich als „Halbzeit“ in meinem Leben an. In der ersten Hälfte meines Lebens hatte ich einen Vater. In der zweiten Lebenshälfte bin ich selbst Vater. In dieser Zeit habe ich mir viele Gedanken gemacht, was ich in der zweiten Halbzeit meines Lebens machen möchte und welche Arbeit ich als sinnvoll empfinde. Da habe ich mich entschieden, dass ich meine Arbeit ganz der Frage widmen möchte, wie sich im Gesundheitsbereich Verbesserungen erreichen und Innovationen fördern lassen.

Was ist Dein USP, Dein Alleinstellungsmerkmal?  

Das ist eine gute Frage. Ich denke, dass dies eher von den Leuten beantwortet werden sollte, mit denen ich arbeite…

Da ich europaweit mit Medizintechnik-, Pharma-Firmen, Digital Health Startups und Gesundheitsministerien an Innovations-Themen arbeite, glaube ich, einen ganz guten Überblick zu haben, wie verschiedene Digital-Health-Lösungen skalieren können und wie man Plattform-Business Modelle oder Gesundheits-Ökosysteme aufbauen kann.

Insgesamt arbeite ich viel an der Frage, wie das Gesundheitssystem der Zukunft aussehen kann – als Kombination aus digitalen und „analogen“ Angeboten. Ein Beispiel: In westeuropäischen Ländern stehen dem Gesundheitssystem schon heute mehr als 100 Interventionen zur Verfügung, mit einer Volkskrankheit wie Diabetes umzugehen. Wenn wir da einfach nochmal 25-50 digitale Lösungen „draufpacken“, werden wir das Wohl der Patienten wahrscheinlich nicht verbessern. Stattdessen könnten wir überlegen, wie wir den Bürgern in Deutschland und Europa helfen wollen, in Zukunft gesund zu leben – also gerne mehr Diskussion über das Zielbild für unser Gesundheitswesen.

Meinem Vater hätte ein digitaler Präzisionsmedizin-Ansatz sicher mehr geholfen als die Holzhammer-Krebsbehandlung, die er erfahren hat.

Wo siehst Du die größten Chancen und das größte Potenzial in der Digitalisierung der Gesundheit? Wieso? 

Ich sehe in drei Bereichen großes Potenzial:

1) Aufbau kundenfreundlicher Gesundheits-Ökosysteme, die die traditionellen Grenzen der „Sektoren“ im Gesundheitssystem überwinden (Stichwort: Healthcare Consumerization). Weltweit werden da gerade einige interessante Ökosysteme aufgebaut, die z.B. die ambulante Medizin und Apotheken-Dienste verknüpfen oder Ökosysteme, die verschiedene Formen der Behandlung zu integrierter Versorgung zusammenfassen.

2) Verknüpfung verschiedener Technologien zu einer personalisierten Präzisions-Medizin: Hier geht es um die Frage, wie  wir die unterschiedlichen Gesundheitstechnologien miteinander verknüpfen wollen, um mit Krankheiten in der Zukunft grundlegend anders umzugehen als bisher. Wollen wir auf Basis von Genomsequenzen, anderen OMICS-Analysen, Wearables und Remote Monitoring eine personalisierte Präzisions-Medizin vorantreiben, die es erlaubt, Patienten gezielter zu diagnostizieren und zu behandeln? Und wollen wir den nächsten Schritt gehen und Krankheiten auf Basis dieser Daten – datenschutzkonform – vorhersagen? Und dann daran arbeiten, die Krankheiten vor dem Ausbruch zu verhindern (Stichwort: Disease Prediction, Prevention und Interception)?

3) Sichere Verwendung von Gesundheitsdaten für Forschung und Entwicklung: In anderen Industrien werden Technologien eingesetzt, die es erlauben, Algorithmen auf sicher verschlüsselten dezentralen Daten zu trainieren anstatt Daten zu zentralisieren. Solche „Federated Learning“- / „Confidential Computing“- Ansätze stecken in der Gesundheitsbranche erst in den Kinderschuhen.

Insgesamt stehen wir ja erst am Anfang der Gesundheitsdigitalisierung. In vielen Institutionen reicht das IT-Budget  kaum aus, den laufenden Betrieb der bisherigen IT-Systeme aufrecht zu erhalten. Da gibt es noch einiges an Basisarbeit „im Maschinenraum“ zu tun. Aber die Arbeit im digitalen Maschinenraum wird zielgerichteter, wenn man weiß, wo die Reise hingehen soll.

Wo konkret siehst Du das größte Marktpotenzial in der digitalen Gesundheit in den kommenden Jahren und wieso?

Viele Gründer und Investoren, die im Digital Health unterwegs sind, schauen stark auf Fundraising/Investment-Zahlen und Umsatz-Zahlen. Mir sind diese Zahlen nicht so wichtig.

Das Marktpotenzial hängt langfristig eher davon ab, welchen Wert eine bestimmte Kategorie der digitalen Gesundheit für Bürger, Patienten und das Gesundheitssystem liefern kann. Wir haben den finanziellen Effekt von 26 verschiedenen digitalen Gesundheitslösungen (z.B. Telemedizin, Patient Remote Monitoring) auf verschiedene europäische Gesundheits-Systeme analysiert. Dazu haben wir über 500 Publikationen im Bereich digitaler Gesundheit angeschaut. Im nächsten Schritt haben wir den finanziellen Nutzen den „Ist-Kosten“ der Gesundheits-Systeme zugeordnet. Dann haben wir die Frage gestellt: Was wäre der finanzielle Effekt, wenn diese digitale Gesundheitslösung zu 100% implementiert wäre?

Für Deutschland läge der finanzielle Nutzen bei 34 Milliarden Euro pro Jahr, also ca. 12% der Gesamtkosten. Die drei Kategorien mit dem größten Nutzen sind die elektronische Patienten-Akte (EUR 6.4 Mrd.), Telemedizin (EUR 4.4 Mrd) und Patient Remote Monitoring (EUR 3.4 Mrd.). Insgesamt ist diese Analyse eher konservativ, da wir nur die publizierte Evidenz für digitale Gesundheitslösungen als Basis genommen haben – und viele positive Effekte der digitalen Gesundheitslösungen sind ja noch nicht publiziert. Hier ist der Link zu Studie für alle, die tiefer einsteigen möchten: https://www.mckinsey.de/news/presse/2018-09-27-digitalisierung-im-gesundheitswesen .

Eine Kategorie der digitalen Gesundheit, der ich persönlich eine besonders große Bedeutung zumesse, ist das Patient Remote Monitoring. Dabei werden Vital-Parameter von Patienten/innen von einem Arzt „fernüberwacht“. Die Stärke dieses Konzept kann man während der Korona-Pandemie sehen – sowohl in England als auch in Deutschland wurden Patient Remote Monitoring Pilot-Projekte für Covid-19 infizierte Patienten durchgeführt. Dabei übermitteln Covid-19 Patienten mehrmals täglich Ihre Vitalparameter (z.B., Fieber, Sauerstoffsättigung im Blut, Luftnot) und ein Arzt überwacht die Patienten per Dashboard. Die Idee hinter dem Konzept: Auftretende Komplikationen werden schnell identifiziert und es kann sofort medizinisch reagiert werden. Die ersten Ergebnisse sind beeindruckend: Von 244 Patienten im englischen Pilot-Projekt lag die Mortalität bei 0! In Deutschland entwickeln sich die Daten sehr ähnlich. Wer sich für dieses Thema interessiert, zum Beispiel zur Vorbereitung einer möglichen Covid-19- Winter-Welle, kann gerne mit mir Kontakt aufnehmen.
Link zur Publikation des englischen Pilotprojekts: https://www.bmj.com/content/bmj/369/bmj.m2119.full.pdf

Was ist Dein konkreter Ratschlag an Gründer und Investoren im Bereich digital health? 

Ich ermutige, auf drei Dinge zu schauen:

  1. Was ist der Wert, den eine bestimmte Digital-Health-Kategorie (wie z.B. Patient Remote Monitoring) für ein Gesundheitssystem liefern kann in Bezug auf Patient Outcomes, mehr Zeit der Ärzte/Pfleger für Patienten und finanzielle Ersparnis für das System?
  2. Was sind die Wege, die eine Digital-Health-Lösung beschreiten kann, um in einem Gesundheitssystem erfolgreich zu sein (da gibt es in Deutschland zum Beispiel mehr als 10 Wege)?
  3. Wer verdient das Geld heute, dass die Digital-Health-Firma verdienen möchte?

Welche drei Events sind absolute MUSTs im Bereich Digital Health, würdest Du also dringend empfehlen? 

Ich habe da sicher nicht den besten Überblick – aber ich würde empfehlen, regional, national und international zu unterscheiden:
1) Lokale Events, bei denen verschiedene Vertreter des Gesundheitsökosystems zusammenkommen, wie z.B. die MUST Events in München oder die Arbeit von Maru Winnacker, Heartbeat Labs, Yoni Goldwasser und Professor Böttinger für das Ökosystem in Berlin/Potsdam.
2) Nationale Events, bei denen zu Fokusthemen die Stakeholder aus verschiedenen Sektoren zusammenkommen. Da leisten Prof. Debatin, Henrik Matthies und ihre Kollegen vom Health Innovation Hub tolle Arbeit. Auch die HEALTH-Konferenz von HIMSS und dem Handelsblatt fand ich persönlich sehr gut. Allerdings ist das eine sehr subjektive Sicht, da ich wie gesagt keinen kompletten Überblick über die ganzen Events habe.

3) Globale Events, bei denen Stakeholder von verschiedenen Kontinenten zusammenkommen. Da gibt es ein enormes „Lernpotenzial“. Ein Beispiel dafür ist sicherlich der World Health Summit in Berlin. Ich selbst versuche da auch einen kleinen Beitrag zu leisten mit dem globalen Health Tech Network, einem Netzwerk von >400 Digital Health / Health Tech Startups, für das ich den Health Tech CEO Roundtable organisiere. Da gibt es mittlerweile 23 Regional-Gruppen – von „West Coast USA“ über Europa, Afrika, Indien, Singapore, China und bis Australien.

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