die Digitalisierung eines der besten Gesundheitssysteme der Welt
Christian Bredl im Interview

Unser Gesundheitssystem gilt zu Recht als eines der besten in der Welt. Das wurde eindrucksvoll in den vergangenen Wochen bestätigt. Die Digitalisierung kann dafür sorgen, dass dies auch für künftige Generationen so bleibt und dabei die Kosten eine vertretbare Relation zur Wirtschaftsleistung nicht überschreiten.

Wer bist Du und wie beschreibst Du Deinen Drive im Bereich digitaler Medizin, Deine Rolle?

Die digitalen Möglichkeiten zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung noch besser als bisher zu nutzen –  das steht bei mir als bayerischer Krankenkassenmanager ganz oben auf der Prioritätenliste. Meine Rolle sehe ich darin, digitale Innovationen, die unser Gesundheitssystem bezahlbar und qualitativ hochwertig bleiben lassen, so schnell wie möglich in den Versorgungsalltag zu bringen. Ich bin in der Funktion als Kommunikator und als Moderator, um die oft diametral auseinanderliegenden Interessen, beispielsweise von Leistungserbringern, Leistungsbezahlern oder den Erwartungen der Patienten, so zusammenzuführen, dass die digitale Medizin ihre Stärken für alle Beteiligten entfalten kann.

Was ist Dein USP, Dein Alleinstellungsmerkmal? Was exakt findet in Deinem Alltag schon alles digital statt? Wo schafft die Digitalisierung damit einen Mehrwert?

Ich würde derzeit bei der Digitalisierung nicht von einem Alleinstellungsmerkmal sprechen. Mein Alltag findet, wie bei vielen anderen auch, derzeit verstärkt digital statt. Videokonferenzen, Chats, Onlineplattformen – der Austausch und die Kommunikation erfolgen fast ausschließlich in digitaler Form.

Für mich ist jedoch immer noch der direkte persönliche Kontakt enorm wichtig. Und ja, vor  einem halben Jahr hätte ich mir nicht vorstellen, das alles über Monate hinweg digital zu erledigen. Aber vor Monaten hat sich bei uns im Land auch kaum jemand vorstellen können, dass Omas und Opas regelmäßig mit ihren Enkelkindern skypen, zoomen oder facetimen.

Hier wird der Mehrwert der Digitalisierung für alle klar. Ich hoffe, dass wir diesen Schwung und diese vielen positiven Erkenntnisse in die Zeit nach der Pandemie mitnehmen können, denn: Gerade Deutschland hat bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens noch Einiges aufzuholen.

Wo siehst Du die größten Chancen und das größte Potenzial in der Digitalisierung der Gesundheit? Wieso? 

Unser Gesundheitssystem gilt zu Recht als eines der besten in der Welt. Das wurde eindrucksvoll in den vergangenen Wochen bestätigt. Die Digitalisierung kann dafür sorgen, dass dies auch für künftige Generationen so bleibt und dabei die Kosten eine vertretbare Relation zur Wirtschaftsleistung nicht überschreiten.

Mit dem intelligenten Austausch von Daten können Über-, Unter- und Fehlbehandlungen vermieden werden, die derzeit noch Milliardensummen im Gesundheitswesen verschlingen. Das gelingt uns aber nur, wenn wir die Menschen, für die das Gesundheitswesen da ist, verstärkt in die Entscheidungen miteinbeziehen. Dazu sind transparente digitale Gesundheitsservices wie eine elektronische Patientenakte nötig, die sich immer weiterentwickeln muss. Die gesetzlichen Grundlagen wurden jüngst mit dem Patientendaten-Schutz-Gesetz, kurz PDSG, geschaffen. Der Weg ist nun frei, dass  Patienten in Zukunft das Leben erleichtert wird, wenn sie alle ihre Gesundheitsdaten an einem Ort abgelegt haben. Kliniken, Ärzten, Apotheken und sonstigen Leistungserbringern ermöglicht dies auch ein vernetztes Arbeiten. Hier sehe ich das größte Potential.

Die Chancen würden sich sogar noch steigern, wenn Versicherte die Möglichkeit bekämen, ihre Daten ihrer Krankenkasse selbst zur Verfügung zu stellen. So könnten die Kassen ihre Kunden unterstützen und mit individuellen Informationen auf sie zugehen. Gerade in Pandemiezeiten, die laut Experten auch zukünftig immer wieder auftreten werden, könnten wir besonders Betroffene frühzeitig auf digitalen Kommunikationswegen erreichen. So wäre es präventiv möglich, viele schwere Erkrankungen, vielleicht sogar auch Todesfälle, zu vermeiden.  

Wo konkret siehst Du das größte Marktpotenzial in der digitalen Gesundheit in den kommenden Jahren und wieso?

Bahnbrechende Innovationen in der Medizin und bei der Behandlung der Menschen sind heute nur noch möglich, wenn intelligent vernetzt große Datenmengen ausgewertet werden. Aktuell sehen wir das bei der Corona-Pandemie. Weltweit forschen Teams an Impfstoffen oder Behandlungsmöglichkeiten und tauschen sich über Kontinente hinweg digital in Echtzeit aus. Das muss auch der Weg in Deutschland und in Europa sein.

Mit der EU-Ratspräsidentschaft ab Juli kann Deutschland entscheidend dazu beitragen, dass durch die geregelte Nutzung der Gesundheitsdaten in den kommenden Jahren ein innovatives, freiheitliches und soziales Modell etabliert wird. Damit könnte Europa ihren Bürgern eine hervorragende Alternative im Gesundheitswesen bieten zum chinesischen Staats- und Überwachungskapitalismus oder dem kommerziell getriebenen US-Kapitalismus.

Was ist Dein konkreter Ratschlag an Gründer und Investoren im Bereich digital health? 

Alle digitalen Innovationen sollte immer aus der Sicht des Patienten beziehungsweise des Versicherten gedacht werden. Für sie muss es einen konkreten Mehrwert darstellen, der sich leicht in ihren Alltag integrieren lässt. Wenn Gründer und vor allem Investoren dies bei ihrer neuen Idee im Bereich digital health berücksichtigt haben, können sie sich im Gesundheitswesen Partner suchen, um beispielsweise Modellprojekte zu initiieren. Das können neben innovativen Krankenkassen auch aufgeschlossene Kliniken, Ärzte, sonstige Leistungserbringer oder deren Verbände sein. Die so gewonnenen praktischen Erkenntnisse können dann zur Weiterentwicklung der Idee umgesetzt werden.

Welche drei Events sind absolute MUSTs im Bereich Digital Health, würdest Du also dringend empfehlen? 

Fixe Termine jedes Jahr sind für mich der Bayerische Tag der Telemedizin und der Europäische Gesundheitskongress in München. Auch der Münchner Digital Health Summit und das DigiMed Bayern Symposium ist aus meiner Sicht ein Muss. Interessant finde ich auch die verschiedenen Hackathons in München, Hamburg oder Köln, die sich mit innovativen Healthcare-Lösungen beschäftigen.