B Calmer

Bernhard Calmer
im Interview

Wer bist Du und wie beschreibst Du Deinen Drive im Bereich digitaler Medizin, Deine Rolle?

Seit meiner Geburt höre ich auf den Namen Bernhard Calmer und bin seit gut 35 Jahren im Healthcare Business unterwegs. Ich habe Betriebswirtschaft im Gesundheitswesen studiert. Meine erste berufliche Station war im Bereich der Wirtschaftsprüfung; anschließend habe ich als Stab der Geschäftsführung in einem Krankenhaus gearbeitet und war dann für viele Jahre IT-Leiter in einem Hamburger Krankenhaus. Und nun bin ich seit gut 25 Jahren in IT-Unternehmen im Gesundheitswesen tätig. Wie ihr an meinem Werdegang schön sehen könnt, ging es über die Betriebswirtschaft und die kaufmännischen und administrativen Verfahren immer mehr in Richtung Digitale Medizin. Heute reden wir über Künstliche Intelligenz (KI), Robotik, intelligente Exoskelette und Diseasemaps in denen Krankheiten und ihre Verläufe in einer mehrdimensionalen Matrix gemanaged werden können. Meine Rollen waren unterschiedlich, sie haben sich aber fast immer mit der Frage beschäftigt: Was kommt morgen –  und was kann und muss ich heute schon tun, um dafür gut aufgestellt zu sein? Bis vor kurzem war ich als Direktor für das Business Development in Central Europa tätig, heute bin ich einer der Geschäftsführer der CGM Clinical Europe.

Was ist Dein USP, Dein Alleinstellungsmerkmal? Was exakt findet in Deinem Alltag schon alles digital statt? Wo schafft die Digitalisierung damit einen Mehrwert?

„Wir ertrinken in Daten und hungern nach Wissen“, so hat es John Naisbitt in seinem Buch über die Megatrends des Jahrtausends ausgedrückt. Wissen über die Hintergründe, die Geschichte der Health IT und ihrer handelnden Personen, die digitale Transformation und die kybernetische Verflechtung aller Dinge – ich glaube das ist mein Alleinstellungsmerkmal. Mein Alltag ist allerdings – immer noch – eine Mischung aus digital und analog. So schleppe ich eigentlich nie Papier mit mir rum, alle Notizen erfolgen auf dem Surface, werden ins iPhone diktiert oder getippt. Aber der Austausch mit Menschen, das gemeinsame Arbeiten an und in Projekten findet für mich im Kern immer noch analog und persönlich statt. Corona hat sicher massiv dazu beigetragen, dass viele Termine nun virtuell stattfinden, aber da sind wir noch nicht wirklich trainiert. Unsere Aufmerksamkeitsspanne sinkt viel schneller, es ist – noch – nicht das gleiche „Feeling“ mit einem Menschen persönlich oder digital zu sprechen.  Mehrwerte finden sich schon vielfältige: weniger Termine vor Ort, weniger Reisen, weniger Umweltbelastung. Aber eben auch Brüche zwischen den Welten, das elektrifizieren von analogen Dingen etc. 

Wo siehst Du die größten Chancen und das größte Potenzial in der Digitalisierung der Gesundheit? Wieso? 

Ich weiß nicht, ob jemand das Buch von Leo Nefiodoff „Der sechste Kondratieff“ kennt. Es ist ein Buch, in dem es um langwellige Zyklen geht, die unsere Gesellschaft und die gesellschaftliche Wertschöpfung nachhaltig (so über 50 Jahre) beeinflussen. Er vertritt die These, dass der nächste große Zyklus (der 6. Kondratieff) die Gesundheit bzw. die Gesunderhaltung der Menschheit sein wird. Aus einer Reparaturmedizin wird eine präventive Medizin. Das geht nicht ohne das Erheben und Messen von Daten. Das kann natürlich zukünftig nur digital erfolgen. Die heutigen Wearables und Smartphones geben uns schon einen guten Ausblick auf das, was da kommen wird. Wir sprechen ja auch gerne vom „selfquantifiying“. KI wird uns helfen, die Daten auszuwerten und beginnende Erkrankungen oder besser Veränderungen in unserem Körper zu erkennen und darauf zu reagieren. Das Ganze hat dann einen Impact nicht nur auf den Einzelnen, sondern auch darauf, wie unser Gesundheitssystem funktioniert. Bezahlen wir heute einen Arzt oder ein Krankenhaus für die „Reparatur“, werden wir ihn morgen vielleicht dafür bezahlen, dass er uns hilft, gesund zu bleiben…. 

Wo konkret siehst Du das größte Marktpotenzial in der digitalen Gesundheit in den kommenden Jahren und wieso?

In den kommenden Jahren werden mehrere Bereiche gleichzeitig größeren Veränderungen unterworfen sein: Im Krankenhausbereich wird es vor allem um den Ausbau der IT in die klinischen und pflegerischen Bereiche gehen. Digitale Kurve, Medikation und mobile Lösungen fehlen heute noch in vielen Häusern. Gleichzeitig wird durch den Gesetzgeber die Telematik-Infrastruktur mit elektronischem Medikationsplan, Notfalldatensatz und elektronischer Patientenakte forciert werden. Das betrifft auch die ambulante Versorgung. Wenn dieser Schritt geschafft ist und wir in Deutschland eine „Datenautobahn“ haben, wird auch der Bürger/Patient davon profitieren und seine Krankenakte befüllen können. Das DIGA sorgt parallel dafür, dass Ärzte Apps verschreiben können und damit der digitalen Medizin einen Vorschub leisten. Die Krankenkassen werden auf der anderen Seite ihre Angebote erweitern, um ihren Versicherten Daten aus der Krankenversorgung zur Verfügung zu stellen. 

Steht die Datenautobahn einmal, werden auch in der ambulanten Pflege und im Bereich Social Care neue Möglichkeiten entstehen und datenbasierte Geschäftsmodelle entstehen. Geschäftsmodelle die den Betroffenen – egal ob Bürger oder Patient – die dienstleistenden Institutionen oder Menschen bei der Gestaltung der Prozesse aber auch die Industrie dahinter z.B. bei der Wartung teurer Kernspintomographen mittels Daten und KI unterstützen. 

Was ist Dein konkreter Ratschlag an Gründer und Investoren im Bereich digital health? 

Das Gesundheitswesen gehört – neben der Energiewirtschaft und der Verteidigung – zu den reguliertesten Märkten in Deutschland. Es ist in Europa nicht einheitlich geregelt, d.h. die EU kann keine Gesetze direkt für das Gesundheitswesen eines Landes treffen. Der Markt ist also lokal, hoch reguliert und komplex. Schaut ihn euch genau an, macht euch schlau, sucht den Kontakt zu Menschen, die diesen Markt kennen. Gute Ideen und Geld allein führen hier nicht zum Erfolg. 

Welche drei Events sind absolute MUSTs im Bereich Digital Health, würdest Du also dringend empfehlen? 

Das ist eine gute Frage. Aus meiner Sicht nicht so einfach zu beantworten – denn Startup-Veranstaltungen sind in Deutschland für die Digitalisierung des Gesundheitswesens noch regional ausgerichtet. Im Cluster München ist es sicher die „Digital meets Clinical Healthcare“, im Berlin-Brandenburg Cluster sind es Veranstaltungen des Bayer Grants4Apps Accelerator, der helios.hub der Helios Kliniken Gruppe, der Healthcare Hub Berlin von Pfizer, der Flying Health Inkubator und das Startupbootcamp. Wenn Ihr eher technisch unterwegs seid, ist die medica in Düsseldorf wichtig. Als eine der wichtigsten Szene-Veranstaltungen hat sich die DMEA (früher conhIT) in Berlin etabliert. 

Empfohlene Webpages / Foren / Plattformen / Meetups / Newsletter?

Ich persönlich würde die folgenden vier Newsletter empfehlen: casemix-news@myDRG.de, digitalhealthnews.de, devicemed.de und kma. Mit diesen erhält man einen guten Überblick über Health-IT, Medizintechnik und den Krankenhausmarkt.