Christiane

Anne Christin Braun
im interview

Wer bist Du und wie beschreibst Du Deinen Drive im Bereich digitaler Medizin, Deine Rolle?

Ich bin Anne Christin Braun, seit gut 1,5 Jahren bin ich der Digital Health Hub Lead für den ZOLLHOF in Nürnberg. Wir sind einerseits einer der am schnellsten wachsenden Tech Inkubatoren Deutschlands und andererseits ein Teil der Digital Hub Initiative der Bundesregierung als deren Hub für digitale Gesundheit – gemeinsam mit dem Medical Valley und den Health Hackers in Erlangen. Das übergeordnete Ziel des Health Hubs ist es durch die Förderung von Innovation und kollaborativem Unternehmertum im Gesundheitswesen die Patientenversorgung nachhaltig zu verbessern. Daran arbeiten wir kontinuierlich mit Startups, etablierten Unternehmen und öffentlichen Stakeholdern.

Was ist Dein USP, Dein Alleinstellungsmerkmal? Was exakt findet in Deinem Alltag schon alles digital statt? Wo schafft die Digitalisierung damit einen Mehrwert?

Ich bin definitiv multidisziplinäre Generalistin, die je nach Bedarf die Startup, SME oder Corporate Brille aufsetzen kann. Nach meinem Business-Abschluss habe ich viele Jahre in einem IT-SME gearbeitet, aber irgendwann gemerkt, dass ich eine Aufgabe brauche, die sinnstiftender ist und mehr Gestaltungsfreiheit zulässt. Schließlich habe ich daher nebenberuflich einen Master in Gesundheitswissenschaften begonnen, mich parallel in den letzten Jahren stark für die Physicians Association for Nutrition engagiert und bin dann durch einen glücklichen Zufall zum ZOLLHOF gekommen.

Aktuell findet in unser aller Alltag zwangsläufig sehr viel digital statt. Ich bin nun auf jeden Fall fit in sämtlichen existierenden video call tools. Neben den täglichen Terminen haben wir direkt unsere vielen Eventformate digitalisiert und so habe ich mittlerweile digitale Events moderiert, online Vorlesungen und Keynotes gegeben. Persönlich freue ich mich aktuell über diverse neue digitale Sportangebote, die so vielfältig sind, dass sie hoffentlich auch den ein oder anderen Sportskeptiker vom Sofa gelockt haben.

Corona hat die Bedeutung des wartezeitenlosen Arztbesuchs ohne Infektionsrisiko deutlich gemacht und zu einem Run auf Videosprechstunden geführt. Dass es die Telemedizin-Plattform Teleclinic nun auch in die Erstattung für gesetzlich Versicherte geschafft hat, stimmt mich mehr als zuversichtlich, dass dieser Trend Corona überdauern wird und Videosprechstunden bald zum Standard gehören.

Wo siehst Du die größten Chancen und das größte Potenzial in der Digitalisierung der Gesundheit? Wieso? 

Laut des diesjährigen World Cancer Reports der WHO wird sich die Zahl der Krebsfälle bis 2040 weltweit fast verdoppeln. Einer der Gründe dafür ist eine alternde Gesellschaft, ein anderer ist unsere Lebensweise. Es wird geschätzt, dass 40% aller neuen Krebsfälle durch die Implementierung von Primärpräventionsmaßnahmen verhindert werden könnten. Daher wird die Rolle von Lifestyle Medizin, die u.a. Ernährung, Schlafmanagement und Bewegung in der Prävention von NCDs wie Krebs einsetzt, an Bedeutung gewinnen. Hier werden insbesondere digitale Tools zum Einsatz kommen, die uns helfen unseren individuell besten Schlaf/Wach-Rhythmus zu finden oder unseren Koffein-Konsum sichtbar machen. Food Scanner können hingegen helfen, die Bestandteile und Allergene von Mahlzeiten zu entschlüsseln. Digitale Ernährungstagebücher supporten etwa Diabetes Typ 2 Patienten dabei, ihre Krankheit besser zu managen und personalisierte Ernährungs- und Rezepttipps zu erhalten.

Außerdem werden maßgeschneiderte Therapien auf Basis von Präzisionsmedizin ein echter Game Changer für die Prävention, Diagnose und Behandlung vieler Krankheiten, wie z.B. Krebs sein. Wir werden uns wegbewegen vom aktuell noch vorherrschenden „eine Therapie für alle-Ansatz“ sondern uns stattdessen genau die Genmutationen eines Tumors anschauen um die individuell effektivste Behandlung zu bestimmen. Aktuell ist Präzisionsmedizin noch sehr ressourcenintensiv und invasiv, da Tumore sehr traditionell analysiert werden – mittels Genomforschung und Pathologie. KI-basierte Bildgebungsverfahren können helfen, Präzisionsmedizin voranzutreiben und sind gleichzeitig weniger invasiv, ressourcenschonend und daher kostengünstiger und patientenfreundlich.  

Wo konkret siehst Du das größte Marktpotenzial in der digitalen Gesundheit in den kommenden Jahren und wieso?

In den kommenden Jahren werden sich vor allen Dingen telemedizinische Angebote weiter etablieren. Nicht nur dem Bedürfnis nach einem Arztbesuch ohne Wartezeiten und ohne Infektionsrisiko kann dadurch nachgekommen werden. Videosprechstunden und Co. helfen auch die Versorgungssicherheit in ländlichen Gebieten sicherzustellen, sich leichter Zweitmeinungen einzuholen und Zugang zu hochspezialisierten Fachärzten und -therapeuten zu bekommen, die nicht in meiner unmittelbaren Nähe operieren.

Was ist Dein konkreter Ratschlag an Gründer und Investoren im Bereich digital health? 

Gründer*innen im Bereich Digital Health agieren in einer der spannendsten aber auch am stärksten regulierten Branchen Deutschlands. Deswegen ist es für diese Startups umso wichtiger, sich ein gutes, verlässliches Netzwerk aufzubauen, erfahrene Mentor*innen als Sparringpartner zu haben und sich starken Support an die Seite zu holen. Im ZOLLHOF bieten wir jungen Gründer*innen genau das an und zwar in einem historisch gewachsenen Ökosystem aus über 500 Med Tech Unternehmen, 65 Kliniken und 80 Forschungseinrichtungen – dem Medical Valley Nürnberg/Erlangen.

Welche drei Events sind absolute MUSTs im Bereich Digital Health, würdest Du also dringend empfehlen? 

Sicher keine Geheimtipps, aber die BITKOM Digital Health Conference, die DMEA und als Nürnbergerin sage ich noch die MedTec Live. International habe ich viel Gutes von der Vitalis in Göteborg gehört, sie steht bei mir für’s nächste Jahr auf der Agenda – so Corona will.