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Veronika Schweighart
im Interview

Wer bist Du und wie beschreibst Du Deinen Drive im Bereich digitaler Medizin, Deine Rolle?

Ich bin Veronika Schweighart, COO und Mitgründerin vom Münchner Software-Startup Climedo Health. Mein Drive besteht darin, dass ich in der Gesundheitsbranche noch ein enormes Digitalisierungspotenzial sehe. Ähnlich wie meine Mitgründer Sascha und Dragan habe ich in meinem engen Familienumfeld negative Erfahrungen mit ineffizienten Behandlungen erlebt, mit teilweise schwerwiegende Nebenwirkungen. Bei Climedo arbeite ich eng mit unseren Kunden zusammen, um ihnen die bestmöglichen digitalen Lösungen für ihre klinische Datenerhebung zu bieten. Außerdem bin ich für die Bereiche Marketing, HR und das operative Geschäft zuständig.

Was ist Dein USP, Dein Alleinstellungsmerkmal?  Das kann auf Dich persönlich oder Dein Unternehmen bezogen sein, your choice

Ich glaube, was uns drei Gründer vor allem auszeichnet, ist dass wir ein Healthcare-Startup etabliert haben, ohne einen medizinischen Hintergrund zu haben. Einige Investoren haben dies sogar zu Beginn kritisiert. Doch gerade weil wir „von außen“ kommen, können wir völlig unvoreingenommen und strukturiert an bestimmte Themen rangehen. Wir maßen uns nicht an, etwas besser zu wissen, sondern erfragen uns von vielen verschiedenen Experten das Fachwissen. Es ist daher extrem wichtig, sich ein gutes Netzwerk aufzubauen.

Wo siehst Du die größten Chancen und das größte Potenzial in der Digitalisierung der Gesundheit? Wieso? 

Das größte Potenzial sehe ich darin, dass viele der Prozesse im Gesundheitswesen, die aktuell noch via Papier, Excel oder Fax ablaufen, mithilfe von modernen Software-Lösungen schnell und einfach digitalisiert und automatisiert werden könnten. Das bedeutet nicht, dass das Ärzte-Patienten-Verhältnis verloren geht und wir alle nur noch über Smartphone oder Computer miteinander kommunizieren. Im Gegenteil: Ich bin der Überzeugung, dass, wenn Ärzte und Pflegekräfte ihre administrative Arbeit verringern oder komplett abgeben könnten, sie sich viel besser um ihre Patienten kümmern könnten und sich wirklich die Zeit nehmen, ihnen zuzuhören. Studien belegen, dass Patienten, die sich besser verstanden fühlen, besser auf Therapien ansprechen. Aus diesem Grund steht auch das Thema „Empathie“ bei Climedo ganz weit oben. 

Wo konkret siehst Du das größte Marktpotenzial in der digitalen Gesundheit in den kommenden Jahren und wieso?

Klinische Studien und EDC 
Generell steigen sowohl Potenzial als auch Bedarf zur Digitalisierung von klinischen Studien enorm an: Der weltweite Markt für klinische Studien wird bis 2025 bei einer jährlichen Wachstumsrate von 5,7% auf voraussichtlich 50 Mrd. EUR ansteigen. Außerdem setzen MedTech-, Pharma- und Forschungsunternehmen zunehmend neue Technologien für ihre klinische Datenerfassung ein, um komplexe Studien zu unterstützen. Die elektronische Datenerfassung (EDC) kristallisiert sich immer mehr zu einer der bevorzugten Lösungen zur Verwaltung klinischer Daten heruas und auch hier wird in den nächsten fünf Jahren ein gesunder Marktwachstum erwartet: Laut Prognosen soll der EDC-Markt bis 2025 mit einer Wachstumsrate von 12.8% eine Größe von etwa 1,46 Mrd. EUR erreichen. 

Patient Empowerment

Auch im Bereich der Einbindung von Studienteilnehmern, auch über die Markteinführung des Produktes hinaus, gibt es enormes Potential. Das sogenannte “Patient Empowerment”, also die Befähigung von Patienten, ihre Gesundheit in gewissem Maße selbst in die Hand zu nehmen und ihre eigenen Gesundheitsdaten selbst zu verwalten, ist aktuell auch ein großes Thema im Bundestag und wird uns in den nächsten Jahren hoffentlich zur Normalität werden. Das Patientendaten-Schutzgesetz soll dafür sorgen, dass Patienten ab 2021 eine elektronische Patientenakte haben und ab 2022 sogar einen Anspruch darauf, dass Ärzte die Daten dort eintragen. 

ePRO und eCOA

Damit verbundene ePRO- bzw. eCOA-Anwendungen haben in den letzten Jahren einen großen Aufschwung erlebt. ePRO steht für “electronic Patient Reported Outcomes” und eCOA für “electronic Clinical Outcome Assessment”, auch digitales Tagebuch genannt. Es wird erwartet, dass der Markt für eCOA im Prognosezeitraum von 2020 bis 2027 mit einer CAGR von 15,5% wächst und bis 2027 voraussichtlich 2.39 Mrd. EUR erreichen wird. Die zunehmende digitale Transformation der Gesundheitsbranche und die Nachfrage nach höherer Effizienz bei der Datenerfassung in klinischen Studien sind treibende Faktoren für das Marktwachstum. Der steigende Bedarf an Effizienz bei klinischen Studien in Verbindung mit der steigenden Nachfrage nach integrierten und automatisierten Arbeitsabläufen treibt den Markt für elektronische klinische Ergebnisbewertung (eCOA) voran. Die Lösungen spielen eine zentrale Rolle bei der Steigerung der Qualität von Studiendaten und helfen auch bei der Erfüllung regulatorischer Anforderungen.

Was ist Dein konkreter Ratschlag an Gründer und Investoren im Bereich digital health? 

Think big, start small, move fast. „Think big“: Visionäres Denken ist gefragt, um die wirklich großen Herausforderungen im Leben anzugehen. „Start small“: Man sollte nicht alles auf einmal versuchen, sondern immer klein anfangen, um den nötigen Fokus zu bekommen und kleine Erfolge früh zu feiern. Diese Erfolge geben wiederum Auftrieb für die nächsten Schritte. „Move fast“: Man sollte mit schnellen Iterationen loslegen, um nicht zu lange in die falsche Richtung zu gehen und um in kurzer Zeit viel zu lernen. Denn Zeit ist die wichtigste Ressource bei der Umsetzung von Innovationen, nicht nur für Startups.

Welche drei Events sind absolute MUSTs im Bereich Digital Health, würdest Du also dringend empfehlen? 

Aufgrund der aktuellen Lage wurden ja leider viele Veranstaltungen verschoben oder abgesagt, aber toll finde ich, wie viele davon trotzdem “digital” nachgeholt werden. Zu meinen Top 3 zählen auf jeden Fall die MedTechLIVE in Nürnberg (findet dieses Jahr online statt), die DMEA in Berlin, und die digitale “Zukunftsmedizin”-Konferenz, organisiert von Digi Health Talk.