Sievert Weiss
im Interview

Wer sind Sie und wie beschreiben Sie Ihren Drive im Bereich digitaler Medizin, Ihre Rolle?

Meine Name ist Sievert, ich bin einer der Gründer von AMBOSS und von Haus aus Arzt. Als wir uns 2010 auf das medizinische Staatsexamen vorbereiteten, waren wir von den angebotenen Lernhilfen enttäuscht. Das war der Auslöser, AMBOSS zu gründen. Da wir in dem Bereich innerhalb kürzester Zeit sehr erfolgreich geworden sind und inzwischen nahezu alle Medizinstudierenden AMBOSS zur Examensvorbereitung nutzen, haben wir außerdem wertvolles Wissen für die Assistenzarztzeit mit aufgenommen. Heute nutzt z.B. auch jeder zweite Weiterbildungsassistent regelmäßig AMBOSS und fällt klinische Entscheidungen basierend auf unseren Informationen. Momentan liegt der Fokus auf dem Ausbau der Plattform für Fachärzte. 

Eine unsere Hauptmotivationen zum Ausbau von AMBOSS ist das exponentielle Wachstum  medizinischen Wissens. Für medizinisches Fachpersonal ist es zunehmend schwieriger, diese Informationsflut im klinischen Alltag zu verarbeiten und dann auch noch richtig anzuwenden. Viele der bisherigen Medien konnten diesem Anspruch nicht gerecht werden.  

Was ist Ihr Alleinstellungsmerkmal? Was exakt findet in Ihrem Alltag schon alles digital statt? Wo schafft die Digitalisierung damit einen Mehrwert?

Unser Team ist sehr motiviert, talentiert und hat sich vollkommen der AMBOSS-Vision verschrieben – das ist vielleicht nicht ganz einzigartig, aber scheint mir schon sehr viel von AMBOSS’ Stärke auszumachen.
Auch wenn wir den persönlichen Kontakt sehr schätzen, findet bei AMBOSS natürlich sehr viel digital statt. Die ganze Infrastruktur sitzt in der Cloud, das Team ist auf der ganzen Welt verteilt und unser Produkt ist ja auch komplett digital. Ich schätze, dass sowas vor 10–20 Jahren in der Form – wenn überhaupt – nur mit sehr viel mehr Aufwand möglich gewesen wäre. Das sind schon faszinierende Möglichkeiten heutzutage.

Wo sehen Sie die größten Chancen und das größte Potenzial in der Digitalisierung der Gesundheit? Wieso? 

Die Digitalisierung bietet uns enorme Chancen. Eines der größten Potenziale besteht darin, dem Gesundheitspersonal wieder die Möglichkeit zu geben, das zu tun, wozu sie ausgebildet worden sind: Sich darauf zu konzentrieren, evidenzbasierte Medizin ergebnisorientiert und vor allem auch menschlich den Patienten anzubieten, anstatt ihre Zeit mit ineffizienten Prozessen und Verwaltungsaufgaben zu verschwenden.

Als ich noch als Arzt arbeitete, musste ich bei vielen Patienten häufig aufs Neue herausfinden, unter welchen Erkrankungen sie leiden, welche Medikamente sie einnehmen und welche Eingriffe bereits durchgeführt worden waren. Jedes Mal mussten der Hausarzt oder die zuletzt behandelnden Krankenhäuser aufgespürt und angerufen werden, um mit der Zustimmung des Patienten die zur Behandlung nötigen Informationen zugefaxt zu bekommen. Und das ist nur einer der vielen Verwaltungsaufwände, die in Summe bis zu einem Drittel der ärztlichen Arbeitszeit verbrauchen. Gleichzeitig werden den Patienten immer mehr Dienstleistungen angeboten, sodass das Missverhältnis wächst zwischen dem, was von Ärzten erwartet wird, und dem, was sie tun müssen, um die Erwartungen zu erfüllen.

Wo konkret sehen Sie das größte Marktpotenzial in der digitalen Gesundheit in den kommenden Jahren und wieso?

Prinzipiell würde ich sagen, dass ein großes Marktpotenzial dort liegt, wo komplett neue oder substanziell bessere Produkte oder Services geschaffen werden können, die eine deutlich bessere Erfahrung in einem für die Nutzenden relevanten Bereich bedeuten. Ich denke es lohnt sich, sich mehr auf so einen “bottom-up”-Ansatz zu konzentrieren (vielleicht auch anfänglich eher in Nischenmärkten), als bekannte, große Märkte “top-down” erobern zu wollen.

Was ist Ihr konkreter Ratschlag an Gründer und Investoren im Bereich digital health? 

Traut euch! Ich denke, wir brauchen viel mehr mutige Gründer mit Fachwissen in den Gebieten Medizin, Medizintechnik, Biologie, Biochemie, Biotech usw. Digital Health ist ein riesiger Bereich mit wahnsinnig viel unerschlossenem Potenzial – das bedarf vieler neuer und kluger Köpfe, die dieses Feld wachen Auges zu navigieren wissen.

Insgesamt ist der Bereich Digital Health ja sehr fragmentiert und reguliert sowie mit Befindlichkeiten und ernstzunehmenden Bedenken und sehr viel Spezialwissen versehen. Das sind gute Voraussetzungen, um etwas Neues und Besseres zu schaffen. Wenn man dann ein gewisses Durchhaltevermögen und eine daran angepasste Erwartungshaltung mitbringt und sich zunächst auf einen Teilbereich fokussiert, hat man aus meiner Sicht gute Chancen, seine Nische zu finden und erfolgreich zu sein. 

Welche drei Events sind absolute MUSTs im Bereich Digital Health, würden Sie also dringend empfehlen? 

Um ehrlich zu sein, kann ich hier leider keine guten Ratschläge beisteuern, da wir kaum an solchen und anderen Events teilnehmen. Vielleicht sollten wir das vermehrt tun, aber wir sind sehr “heads down” auf unser Produkt und unsere Zielgruppe fokussiert und verbringen wenig Zeit mit anderen Themen.

Ich glaube, Fokus hilft. Man muss ohnehin schon aufpassen, diesen nicht zu verlieren. Durch zu viel Fremdeinfluss und andere Meinungen wird man ggf. noch mehr irritiert. Wenn man 1–2 Mentoren hat, die schon einmal ein Unternehmen aufgebaut haben, ist das sehr hilfreich. Dann gibt es sicherlich ein paar speziellere Themen im Bereich Digital Health, bei denen man sich beraten lassen muss. Ansonsten würde ich lieber das Produkt sprechen lassen.

Empfohlene Webpages / Foren / Plattformen / Meetups / Newsletter?

Prinzipiell finde ich es interessant, von anderen Gründern/Innovatoren und Investoren zu hören. Deswegen höre ich persönlich gerne Podcasts von: