Wer bist Du und wie beschreibst Du Deinen Drive im Bereich digitaler Medizin, Deine Rolle?
Mein Name ist Diana Heinrichs, ich bin Gründerin und CEO der Lindera GmbH und Mit-Initiatorin des Spitzenverbands Digitale Gesundheitsversorgung e.V. Meine Motivation, mich für eine Veränderung der Gesundheitsbranche zu engagieren, liegt in meiner eigenen Familie begründet. Bei der Gründung von Lindera hatte ich meine Oma im Hinterkopf, der es möglich war, bis zu ihrem Lebensende zu Hause zu wohnen – durch engen familiären Zusammenhalt und der Unterstützung der häuslichen Pflege. Doch auch das enge Netzwerk konnte nicht verhindern, dass sie immer häufiger stürzte. Je älter wir werden, desto wahrscheinlicher wird es, dass wir irgendwann stürzen. Stürze und ihre Folgen belasten nicht nur den oder die Betroffenen und ihre Familien, sondern auch das Gesundheitssystem, allen voran die Pflege. Die Risiken so gut wie möglich einschätzen zu können und aktiv Sturzprophylaxe zu betreiben, waren meine Beweggründe, Lindera zu gründen und aktiv für die Digitalisierung der Pflege und des Gesundheitssystems einzutreten.
Was ist Dein USP, Dein Alleinstellungsmerkmal? Was exakt findet in Deinem Alltag schon alles digital statt? Wo schafft die Digitalisierung damit einen Mehrwert?
Aus meiner Perspektive sind digitale Technologien nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. Alles findet digital statt, ob ich mich von meinem Smartphone wecken lasse, an den nächsten Termin erinnert werde oder meine Bewegungsdaten tracke. Ich bin always on – was gleichzeitig bedeutet, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben schnell verschwimmen.
Bei Lindera ist es uns gelungen, mit Hilfe künstlicher Intelligenz einen echten Mehrwert zu schaffen. Unsere auf künstlicher Intelligenz (KI) basierende Mobilitätsanalyse ermöglicht anhand eines 30- bis 40-sekündigen Smartphone-Videos vom Gang eines Seniors oder einer Seniorin eine detaillierte Gangbildanalyse. Das gelingt über unseren Algorithmus und über neuronale Netzwerke, die ein genaues, anatomisch korrektes Bild der Gelenk- bzw. Skelettdaten anfertigen, mit denen wir den Sturzgrad analysieren können. Studien wie die retrospektive Fall-Kontroll-Studie der Charité – Universitätsmedizin Berlin zeigen, dass die Ergebnisse so präzise sind, dass sie sogar den Goldstandard schlagen. Diese Neuartigkeit hat uns jetzt das europäische Patentamt anerkannt. Unsere Mobilitätsanalyse ermittelt nicht nur das Sturzrisiko, sie empfiehlt auch individuelle Maßnahmen zur Prophylaxe. Vom richtigen Schuhwerk, über orthopädische Behandlungen bis zum Rollator können wir so die Mobilität der Menschen unterstützen. Basis dafür ist unsere Datenbank mit mehr als 400 Empfehlungen aus über 150 wissenschaftlichen Quellen. Zudem fließen hier fortlaufend neueste Forschungsergebnisse sowie die Erkenntnisse aus unserer Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe Geriatrie der Berliner Charité, Psychologinnen und Psychologen und examinierten Pflegefachkräften ein.
Wo siehst Du die größten Chancen und das größte Potenzial in der Digitalisierung der Gesundheit und die größten Marktpotenziale? Wieso? (Fragen 3 und 4 integriert)
Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens hinterher. Während in den letzten Jahren 75 Prozent der Investitionen in digitale Gesundheitsanwendungen in die USA flossen, erreichten uns in Deutschland nur 0,5 Prozent. Fehlende Strukturen, mangelnde Transparenz und eine unklare Gesetzeslage haben es Unternehmen lange erschwert, Digitale Gesundheitsanwendungen erfolgreich am Gesundheitsmarkt zu etablieren. Das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) ist auf dem Weg hin zur Integration in der Regelversorgung ein erster Schritt. Jedoch stehen wir nach wie vor am Anfang einer dringend notwendigen Digitalisierungsoffensive für das deutsche Gesundheitswesen. Deutschland und Europa dürfen ihr digitales Potenzial jetzt nicht verschlafen. Es ist noch nicht zu spät, Deutschland zu einem Vorreiter im Bereich Digital Health zu machen. Innovation muss sich aus Deutschland und Europa heraus entfalten können und flächendeckend zum Einsatz kommen – mit unseren Standards und Qualitätsansprüchen. Das ist der entscheidende Faktor für das Marktpotenzial. Dem DVG müssen daher weitere Schritte folgen, die wir als Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung e.V. und Vertreter der eHealth-Anbieter und Förderer aufmerksam verfolgen.
Was ist Dein konkreter Ratschlag an Gründer und Investoren im Bereich Digital Health?
In der Branche ist wahnsinnig viel in Bewegung, das merke ich jeden Tag im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen anderer Start-ups aus dem Healthcare-Bereich. Die Digitalisierung der Pflege oder der Gesundheit im Allgemeinen ist überfällig – und wir haben die Potenziale hier bei uns vor der Haustüre, oder wie in unserem Fall in einem Kreuzberger Hinterhof. Allerdings, und das ist die große Herausforderung, sind wir stark davon abhängig, dass sich die historisch gewachsenen Strukturen der Branche öffnen und Innovationen zugelassen werden. Für Investoren ist es sicher ein sehr gutes Signal, dass sich die politischen Rahmenbedingungen gerade ändern. Es wird verstanden, dass wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt in einer alternden Bevölkerung nur schaffen können, wenn wir auch neue, smarte Weg gehen. Von diesem Mut stecken wir Schritt für Schritt mehr Träger, Fachkräfte und Seniorinnen und Senioren an – und sind auf diese Weise hoffentlich ein gutes Beispiel für viele weitere Gründerinnen und Gründer, ihren Weg zielstrebig weiter zu verfolgen.
Welche drei Events sind absolute MUSTs im Bereich Digital Health, würdest Du also dringend empfehlen?
DMEA, Future Medicine vom Tagesspiegel und speziell für Lindera die Altenpflege Messe – auch wenn der Name es nicht gleich verrät, über diese Messe kommen Innovationen zu Millionen von Senioren*innen
Empfohlene Webpages / Foren / Plattformen / Meetups / Newsletter?
Die täglichen Newsletter von Handelsblatt Inside Digital Health sowie Tagesspiegel Background Gesundheit & E-Health geben mir jeden Morgen einen guten Überblick. Für den internationalen Blick ist TechCrunch eine gute Adresse.