Wer bist Du und wie beschreibst Du Deinen Drive im Bereich digitaler Medizin, Deine Rolle?
Mein Name ist Regina Vetters. Ich leite die BARMER.i, die Digital-Unit der BARMER, die vor drei Jahren ihre Arbeit aufgenommen hat. Unser Ziel: die Digitalisierung innerhalb der BARMER voranzutreiben. Die „Welt“ formulierte einmal treffsicher, dass „Spieltrieb, Neugierde und ein wenig Unruhe stiften“ zu meiner Jobbeschreibung gehören. Bei der BARMER.i haben wir die Freiräume, neue Ideen zu entwickeln und Konzepte auszuprobieren und das unter dem Dach einer großen Krankenkasse. Erfolgreich umgesetzte Ideen, kommen im besten Fall rund neun Millionen Versicherten zugute. Das ist ein großer Ansporn.
Was ist Dein USP, Dein Alleinstellungsmerkmal? Was exakt findet in Deinem Alltag schon alles digital statt? Wo schafft die Digitalisierung damit einen Mehrwert?
Als ehemalige Journalistin und McKinsey-Beraterin bringe ich Wissen und Mentalitäten aus verschiedenen Welten zusammen. Ich versuche das „Einfach mal machen.“ aus der Start-up-Szene mit den rigiden gesetzlichen Vorgaben einer Krankenkasse zu verschmelzen. Für die BARMER über den Tellerrand hinaus zu schauen und diese große Organisation ein bisschen beweglicher und digitaler zu machen – dafür bin ich angetreten. Privat gilt digitaler Pragmatismus statt fancy digital Lifestyle. Seit die Gaming-Zeiten meines älteren Sohnes digital abgebildet sind, müssen wir uns darüber beispielweise nicht auseinandersetzen. Gerade motiviert die BARMER alle Mitarbeiter mit einer Radfahr-Challenge, das ist gleichermaßen gut für Nachhaltigkeit und Gesundheit – und in Corona-Zeiten vermutlich eh der beste Weg, um zur Arbeit zu kommen. Ich bin ein großer Fan von evidenzbasierten digitalen Produkten, die den Datenschutz nicht aus den Augen verlieren – im Digital-Health-Bereich sowie im Alltag.
Wo siehst Du die größten Chancen und das größte Potenzial in der Digitalisierung der Gesundheit? Wieso?
Aus Sicht der Nutzer wird die Digitalisierung dazu beitragen wird, Patientenbedürfnisse und medizinische Expertise ganz neu zusammenzuführen. Diagnosen dürften erleichtert, Therapien verbessert und die Betreuung intensiviert werden. All das kompensiert zumindest in Teilen Engpässe und gibt Patienten mehr Wahlmöglichkeiten. Entscheidend gestärkt wird das informierte Selbst. Wer möchte, kann sein Gesundheitsmanagement dank digitaler Lösungen selbst aktiv in die Hand nehmen. Dazu wird beispielsweise die elektronische Patientenakte (ePA) beitragen, die zum 1. Januar 2021 von allen Krankenkassen zur Verfügung gestellt werden soll.
Für die BARMER und ihre Mitarbeiter macht vor allem die Prozessdigitalisierung einen großen Effizienzgewinn möglich, der gleichzeitig die Arbeit für viele Mitarbeiter erleichtern kann. Vor allem standardisierte, homogene Antragsprozesse können komplett automatisiert werden – von der Dateneingabe bis zum Versand eines Bescheids. Dadurch werden sich Aufgaben verschieben. Die Mitarbeiter können sich so beispielsweise besser um beratungsintensive Themen kümmern.
Kundenseitig müssen wir die Transparenz, die mit der ePA ins System kommen wird, auch unseren Versicherten ermöglichen. Der BARMER Kompass lässt Versicherte online den Bearbeitungsstatus ihres Krankengelds vom Einreichen der Krankschreibung bis hin zur Berechnung und Auszahlung des Krankengelds verfolgen. Weitere Prozesse werden folgen. Diese Transparenz ist derzeit einmalig in der Gesetzlichen Krankenversicherung und ermöglicht, dass wir in einen noch stärkeren Dialog mit unseren Kunden treten.
Wo konkret siehst Du das größte Marktpotenzial in der digitalen Gesundheit in den kommenden Jahren und wieso?
Immer mehr Menschen stehen digitalen Lösungen im Gesundheitsbereich aufgeschlossen gegenüber. Die Zahl derer, die bereits Apps zu Gesundheits-, Fitness, oder Ernährungsthemen nutzen, steigt. Laut einer Umfrage des IT-Verbands Bitkom nutzen bereits zwei von drei Smartphone-Besitzern solche digitalen Gesundheitshelfer. Ich bin gespannt, wie es sich auf den Markt auswirkt, dass digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) im Rahmen des Digitale Versorgung Gesetzes (DVG) nun auch verordnet werden können. Wir beobachten auf jeden Fall, dass digitale Lösungen fachlich deutlich vielseitiger werden und zunehmend multifaktoriell an Krankheiten herangehen.
Ein weiterer Bereich mit großem Potenzial ist die Telemedizin. Sie kann die medizinische Versorgung zukünftig enorm verbessern. Während in großen Städten die Arztpraxen überlaufen sind, ist die Versorgung im ländlichen Raum eher schwierig. Der demografische Wandel und schwindende Mobilität im Alter verschärfen das Problem noch zusätzlich. Die Einbindung telemedizinischer Lösungen in die Regelversorgung kann hier Abhilfe schaffen. Im Rahmen von Corona hat jetzt jeder vierte niedergelassene Arzt sich an der Telemedizin versucht. Zugleich haben Menschen jeden Alters nun mehr Kontakt zu digitalen Anwendungen. Wer die Schwelle zur Videokonferenz mit den Enkeln genommen hat, steht womöglich auch einer Videokonsultation mit dem Hausarzt offener gegenüber.
Was ist Dein konkreter Ratschlag an Gründer und Investoren im Bereich digital health?
Start-ups haben unzählige spannende Ideen. Die medizinischen Kenntnisse aus der konventionellen Behandlung sind aber auch für digitale Lösungen oft enorm wichtig. Gute Firmen haben deshalb einen Mediziner mit an Bord oder arbeiten mit einem Krankenhaus zusammen. Das hilft auch dabei, von vornherein darüber nachzudenken, welche Evidenz eine Anwendung genieren sollte
Für die entwickelten Apps gilt: Technologisch ist vieles möglich, was rechtlich seine Grenzen findet. Ohne Kenntnisse der Rechtslage im medizinischen Bereich kann eine gute Idee schnell vor die Wand gefahren werden. Zudem muss eine Anwendung muss rundherum intuitiv und weitgehend selbsterklärend sein. Es hilft uns wenig, wenn wir eine neue App erst erklären und Schulungen ansetzen müssen. Das funktioniert erst recht nicht, wenn es in Zukunft immer mehr Apps gibt.
Welche drei Events sind absolute MUSTs im Bereich Digital Health, würdest Du also dringend empfehlen?
Eine der gängigsten Veranstaltungen rund um die digitale Gesundheitsversorgung ist die DMEA, die in diesem Jahr zum ersten Mal digital stattfindet. Außerdem bietet der Health Innovation Hub (hih) regelmäßig hochkarätig besetzte Veranstaltungen an. Zugleich klingt das jetzt schon fast ein bisschen arriviert. Entscheidend ist doch, dass sich die Szene gut vernetzt und Events kreiert, sobald ein neues Thema aufploppt.
Empfohlene Webpages / Foren / Plattformen / Meetups / Newsletter?
Es gibt so viele spannende und informative Webpages, Foren und Plattformen, dass ich nicht auf einzelne gesondert verweisen möchte. Dies würde den nicht genannten nicht gerecht werden.