Artur Olesch
im Interview

Wer bist Du und wie beschreibst Du Deinen Drive im Bereich Digitaler Medizin, Deine Rolle?

Mein Interesse an Digitaler Gesundheit entstand durch die Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten des Gesundheitssystems und der Patientenversorgung. Als Freier Digital Health-Journalist analysiere ich die Potentiale digitaler Technologien und Innovationen in diesem Bereich und vermittele Verständnis für ihre Möglichkeiten. Digitalisierung ist ja nicht einfach die Umwandlung analoger Prozesse in digitale, sondern ein umfassenderer Veränderungsprozess. Derzeit bin ich ein Editor-in-Chief des Portals ICT&Health International und des Magazins OSOZ World. Ich veröffentliche meine Artikeln auf dem HIMSS Blog, mobihealthnews.com, healthcareitnews.com usw.

Darüber hinaus helfe ich Startups mit Geschäftsstrategien, entwickle Fachberichte über Digitale Gesundheit, arbeite mit Gesundheitsorganisationen zusammen an Konzepten der Digitalisierung und betreibe meinen eigenen Blog aboutDigitalHealth.com. Zu meinem Portfolio gehören unter anderem die WHO und das European Network Excellence for Big Data in Hematology. 2020 nehme ich an der vierten Kohorte des SCIANA – The Health Leaders Network Programms teil.

Was ist Dein USP, Dein Alleinstellungsmerkmal?

Eines davon ist, Innovationen im Gesundheitswesen kritisch zu betrachten und ihre Chancen aus verschiedenen Blickwinkeln zu erwägen. Als Journalist versuche ich alle Argumente neutral zu analysieren, um die Sachverhalte möglichst objektiv darzustellen,  und Trends oder Vorurteile auszublenden. 

Die digitale Transformation des Gesundheitswesens muss ein Änderungsprozess sein, an dem alle, von Patienten über Regierungsinstitutionen bis hin zu IT-Unternehmen, beteiligt sind. Für mich ist es eine interdisziplinäre, gesamtgesellschaftliche Herausforderung. 

Zu meinem USP würde ich auch die Tatsache hinzufügen, dass ich mich als Journalist ausschließlich mit dem Thema Digital Health befasse und schon vorher mehrere Jahre für ein IT-Unternehmen im Gesundheitswesen gearbeitet habe. So bin ich den Bereich von verschiedenen Perspektiven und bin auf dem Laufenden, was die neue Studien oder die Umsetzung von Innovationen in verschiedenen Ländern oder aktuelle Diskussionen betrifft. 

Wo siehst Du die größten Chancen und das größte Potenzial in der Digitalisierung der Gesundheit? Wieso?

Meiner Meinung nach wird die Digitalisierung zu einem völlig neuen Gesundheitsmodell führen, das auf einer engen Zusammenarbeit zwischen Patient und Arzt beruht, ein Modell, bei dem der Zugang zu medizinischen Dienstleistungen direkt von zu Hause aus möglich ist. Medizinische Versorgung muss für jeden an dem Ort verfügbar sein, an dem er sich aufhält und den individuellen Bedürfnissen und Erwartungen der Patienten gerecht werden. Ohne Digitalisierung ist das durch die Voraussetzungen der Gesundheitsinfrastruktur stark eingeschränkt. Im digitalen Modell spielt der Wohnort oder die Nähe von spezialisierten Gesundheitszentren dagegen weniger eine Rolle. 

Die zweite Chance liegt im Übergang von einem Modell der reaktiven, behandlungsorientierten Medizin zu einer auf Prävention ausgerichteten Medizin. 

Digitale Medizin hat das Potential, nicht nur die die Verfügbarkeit von medizinischen Dienstleistungen zu erhöhen oder die Behandlungskosten zu minimieren, sondern vor allem die Lebensqualität für alle zu verbessern. Natürlich müssen wir aufpassen, dass die neuen Technologien nicht zur Quelle einer neuen Form der sozialen Ausgrenzung werden, die zu einer Zwei-Klassen-Medizin führt. Die Technologien müssen auch wirklich jedem zur Verfügung stehen.

Wo konkret siehst Du das größte Marktpotenzial in der digitalen Gesundheit in den kommenden Jahren und wieso?

Lösungen, die es den Patienten erleichtern, sich im komplexen Gesundheitssystem zurechtzufinden (Patient Journey), haben ein großes Potenzial.

Dort, wo die Gesundheitsversorgung derzeit ineffizient ist: Management chronischer Krankheiten, Diagnose und Therapie psychischer Erkrankungen, Zugang zu Gesundheitsdiensten in Gebieten mit schwach entwickelter Gesundheitsinfrastruktur. Auch in der Datenanalyse liegt ein großes Potenzial für die Entwicklung wirksamer Maßnahmen im Bereich der Bevölkerungsgesundheit.

Lösungen, die es den Patienten erleichtern, sich im komplexen Gesundheitssystem zurechtzufinden (Patient Journey), haben ein großes Potenzial. Ich denke dabei zum Beispiel an onkologische oder chronische Patienten, die ständige medizinische Betreuung und auch psychologische Unterstützung benötigen. Solche Patienten treffen sich alle paar Wochen mit ihrem Arzt, und in der übrigen Zeit werden sie mit ihrer Krankheit allein gelassen. Mit neuen digitalen Lösungen können sie immer in Kontakt mit Ärzten bleiben.

Was ist Dein konkreter Ratschlag an Gründer und Investoren im Bereich digital health?

Mein Rat: Versuche, das Problem zu verstehen und zu lösen, nicht eine Technologie einzuführen. Heutzutage wird die Welt von einer Welle Apps, Wearables und technologischer Neuheiten überschwemmt. Eine Technologie als Selbstzweck hat jedoch keine großen Aussichten. Sie kann in Bezug auf Innovation und Design beeindruckend sein, aber was im Gesundheitssektor wirklich zählt, ist der auf den Patienten zugeschnittene Nutzen. Es ist notwendig, nicht nur die Bedürfnisse der Patienten gründlich zu verstehen, sondern auch all derjenigen, die zum Gesundheits-Ökosystem des Patienten gehören: Familie, Arzt, Sozialbetreuer usw.

Es ist notwendig, nicht nur die Bedürfnisse der Patienten gründlich zu verstehen, sondern auch all derjenigen, die zum Gesundheits-Ökosystem des Patienten gehören: Familie, Arzt, Sozialbetreuer…

Den Investoren würde ich raten, in geringerem Maße Trends zu beobachten und den gesamten Hintergrund der Konzeption und Entwicklung neuer Technologien zu analysieren und dabei die Teamarbeit, die Motivation und die Energie des Gründungsteams zu berücksichtigen.

Welche drei Events sind absolute MUSTs im Bereich Digital Health, würdest Du also dringend empfehlen?

Abgesehen von den Leitveranstaltungen wie den jährlichen Konferenzen, die von HIMSS Europe oder der dmea in Berlin organisiert werden, empfehle ich die Teilnahme an Konferenzen, bei denen das Thema Digitalisierung in einen breiteren thematischen Kontext eingebunden wird. Beispiele dafür sind das European Health Forum Gastein und der Gipfelkonferenz World Health Summit in Berlin.  An solchen Konferenzen nehmen Vertreter verschiedener Gesundheitsorganisationen aus der ganzen Welt, Politiker, Innovatoren, Ärzte verschiedener Fachrichtungen, Public Health Experten, Krankenschwestern, Patienten teil.  Über den eigenen Tellerrand hinauszugehen, kann eine Quelle von Inspirationen und Ideen sein.

Empfohlene Webpages / Foren / Plattformen / Meetups / Newsletter?

Persönlich nutze ich oft soziale Medien – Twitter und LinkedIn – wo ich den relevanten Experten für digitale Gesundheit folge. Ich besuche regelmäßig nationale und internationale Portale wie e-health-com, hih2025 Magazin und HIMSS-bezogene Medien (zum Beispiel HealthITNews oder HIMSS TV). Ich bin beeindruckt von dem Engagement und Insights präsentiert vom Prof. Dr. Jochen A. Werner und Dr. David Matusiewicz. Die vom hih – Health Innovation Hub organisierten Treffen sind reich an Inhalten. Es lohnt sich auch nach lokalen Gruppen von E-Health-Enthusiasten zu suchen. Ebenso wichtig ist es, die Initiativen der Europäischen Kommission im Auge zu behalten. Hier würde ich den EU-Newsletter „eHealth, Wellbeing and Ageing“ empfehlen. In meinem Blog präsentiere ich auch selbst einen Überblick über die interessantesten Artikel der letzten Wochen.

Mit welchen drei weiteren Experten sollten wir unbedingt sprechen?

Meine Liste ist lang, aber ich werde drei Personen nennen: Dr. Henrik Matthies, Geschäftsführer des Health Innovation Hub hih und zuvor Gründer des Berliner Startups Mimi Hearing Technologies; Prof. Dr. med. Sylvia Thun, Direktorin für eHealth und Interoperabilität am Berliner Institut für Gesundheitsforschung; im weiteren Kontext der globalen Gesundheit – Prof. Ilona Kickbusch, Direktorin im Global Health Centre, Hochschulinstitut für internationale Studien und Entwicklung in Genf.  Sie verfügen über Fach- und Branchenkenntnisse, arbeiten mit großem Enthusiasmus, sind echte Marktführer und damit eine treibende Kraft für Veränderungen im Gesundheitswesen.

Mit welchen Drei Unternehmen, Startups etc. sollten wir als nächstes sprechen?

Kaia Health (Deutschland) – ein Startup, das eine mobile Anwendung zur Unterstützung der Rehabilitation motorischer Organe entwickelt.

Ada Health (Deutschland) – eine weitere mobile Anwendung auf Basis künstlicher Intelligenz, die den Gesundheitszustand (ohne eine Diagnose zu stellen) auf Grundlage der eingeführten Krankheitssymptome bewertet.

Zusätzlich zu den Startup-Neuheiten würde ich auch empfehlen, über Plattformen für Patientenkommunikation und das Management chronischer Krankheiten zu diskutieren, wie sie beispielsweise von Siemens Healthineers angeboten werden.